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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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herauszuholen wie aus den Neoneandertalern, in denen er sich zuvor verborgen hatte.«
    »Konntest du überhaupt etwas erkennen?«
    »Ich weiß jetzt, daß der König Chargill persönlich ermordete.«
    »Weißt du auch, weshalb?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Aber da war noch etwas in seinem Gehirn, etwas, das …« Plötzlich drehte er sich um. »Jon, erinnerst du dich, daß ich auf dem Herweg sagte, etwas stimme mit deiner Schwester nicht? Ich fand jedenfalls das gleiche Muster in König Uskes Gehirn, und ich konnte es auch bei ihm nicht deuten.«
    Einen Augenblick schwiegen alle drei, dann fragte Jon: »Was hat diese Ähnlichkeit oder Gleichheit zu bedeuten?«
    »Daß beide das gleiche wissen und daß ihre Einstellung dazu dieselbe ist. Aber dieses Wissen ist in ihren Gehirnen verborgen, wie etwas, das man erfährt und sofort zu vergessen versucht. In Uskes Gehirn war es noch viel stärker als in Cleas. Es mag sehr leicht mit dem Herrn der Flammen zusammenhängen …«
    »Aber wieso sollten dann beide …«
    »Das ist eine gute Frage«, murmelte Arkor, noch ehe die Herzogin ihren Satz beendet hatte. »Wir werden sie Catham stellen und sehen, was er dazu meint.«
    Die Herzogin öffnete auf ein Klopfen die Tür. Der Offizier der Wache trat ein. »Eure Durchlaucht«, meldete er. »Die Filme wurden entwickelt. Es ist nicht mehr notwendig, daß Sie sich zu unserer Verfügung halten, aber möglicherweise werden wir Sie zu einem späteren Zeitpunkt bitten, uns noch einige Fragen zu beantworten.«
    »Hat Seine Majestät schon Stellung genommen?«
    Der Offizier blickte zu Boden. »Seine Majestät ist tot.« Er drehte sich abrupt um. Jon schloß die Tür hinter ihm.
    »Ich nehme an, daß die Austreibung des Herrn der Flammen ein größerer Schock für ihn war, als er ertragen konnte.«
    »Ein Gesunder könnte es schaffen«, murmelte Arkor. »Aber der König kränkelte sein Leben lang.«
    Petra legte die langen Finger aneinander. »Chargill durch den König ermordet! Der König tot durch …« Sie führte den Satz nicht zu Ende. »Dieser gräßliche Krieg bringt auch für die Regierung eine Menge Veränderungen. All die kleinen Funktionäre werden sich bald zu winden anfangen.«
    »Glaubt ihr, daß jemand sich an die Königinmutter heranmachen wird?« fragte Jon.
    »Ich bezweifle es«, erwiderte Petra. »Sie ist in ihrer Gummizelle in der psychiatrischen Abteilung von Humanmedizin sicher. Ich hoffe, sie ist auch glücklich. Es ist wirklich bedauerlich, daß sie voriges Jahr zusammenbrach. Ich erinnere mich, welch starke Persönlichkeit sie einst war, die viel Gutes für das Reich hätte tun können.«
    »Dann ist es jetzt wohl Zeit für Prinz Lets Rückkehr«, sagte Arkor.
    »Wer ist der nächste in der Thronfolge, ich meine nach Let?« fragte Jon.
    »Ich«, erwiderte Petra kurz. »Du und Arkor müßt noch heute abend zum Festland aufbrechen und Let so schnell wie möglich zurückbringen.«
    »Wenn wir ihn im Wald finden können.«
    »Wir finden ihn«, versicherte ihm Arkor.
    Jon zog den Fenstervorhang zurück und blickte hinaus über die Lichter der Stadt und das Meer, das sich wie ein schwarzes Tuch bis zum mondbeschienen Horizont ausdehnte. Das Transitband floß glitzernd vom Silber des Mondes, und gestützt von titanischen Pfeilern, aus dem Palast. Die dreihundertsechzig Kilometer lange Antenne sandte Materie rund um die Welt. »Ich weiß nicht«, murmelte er. »Ich frage mich, ob uns das Ganze nicht schon entglitten ist. Niemand wollte – zumindest ich ganz gewiß nicht – den König töten.«
    »Willst du damit andeuten, daß es meine Absicht war?« fragte Petra ruhig. »Frag doch Arkor.«
    »Nein, ich möchte nicht fragen«, murmelte Jon. »Als ich im Straflager war, wollte ich …« Er hielt inne.
    »Wer war denn dafür verantwortlich, daß du dort hinkamst?«
    »Vor drei Jahren hätte ich noch gesagt, König Uske. Aber wir waren beide noch Schulkinder, als es geschah. Ein wirrer, sadistischer Zug veranlaßte ihn, mich herauszufordern, doch zu beweisen, daß ich es wagen würde, den königlichen Wappenschild zu stehlen. Aber etwas nicht weniger Verrücktes und Stures brachte mich dazu, die Herausforderung anzunehmen, und verstörte mich so sehr, daß ich den Wächter tötete, der mich aufzuhalten versuchte. Als ich soeben von König Uskes Tod erfuhr, wartete ich darauf, daß ich eine Befriedigung darüber empfinden würde, oder Erleichterung, oder gar Freiheit. Aber ich fühle nichts. Ich bin immer noch nicht frei,

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