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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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weder von dem Dreiwesen, noch von etwas anderem in mir, das ich selbst nicht definieren kann.«
    »Es geht auch anderen so«, versicherte ihm Petra. Dann fügte sie sanfter hinzu: »Aber vielleicht empfindest du es stärker als die meisten, Jon Koshar.«
    Ohne sich vom Fenster umzudrehen, bat Jon. »Du kannst es erkennen, Arkor. Sag mir, was es ist.«
    Aus Arkors Stimme klang ein tiefes, ernstes Gefühl, wie es Jon bisher noch nie aus ihr gehört hatte. »Ich kann es nicht, Jon Koshar. Es ist eine weitere Schranke, durch die ich nicht dringen kann. Es ist das vertrauteste Muster in den Gehirnen von euch Menschen, ja fast ihr Kennzeichen.«
    »Schuld?« fragte Jon scharf. »Empfindest du es als das? Ich spüre nur vage etwas, Arkor, aber es ist gewiß kein Schuldbewußtsein. Es ist etwas – anderes.«
    Die Augen des Riesen verengten sich in plötzlicher Konzentration. Als er erneut sprach, klang eine Unsicherheit aus seiner Stimme, die genau so neu und ungewöhnlich war wie seine vorherige tiefe Emotion. »Nein«, murmelte er. »Ein Schuldgefühl ist es nicht.«
    Jon drehte sich wieder zum Fenster um. »Ich verstehe es nicht. Vielleicht hatte Catham recht. Jedesmal, wenn wir den Herrn der Flammen vertreiben und plötzlich durch das Universum irren – ich frage mich …«
    »Was?« sagte die Herzogin leise.
    »Ich frage mich, ob das Ganze nicht tatsächlich eine Wahnvorstellung, eine ›psychotische Phantasie‹ ist, wie Catham es nannte.«
    Die Herzogin holte tief Luft und nahm sich Zeit, um über Jons Worte hinwegzukommen. »Ich weiß bloß«, sagte sie, »was immer es auch bedeutet, daß wir nur so handeln können, wie wir es sehen. Und wir müssen Prinz Let so schnell wie möglich nach Toron zurückbringen.«
    Jon wandte sich wieder vom Fenster ab. »Also gut, dann versuchen wir, ihn zu holen.«
    »Sollen wir noch heute abend aufbrechen?« erkundigte sich Arkor.
    Die Herzogin sah beide fest an. »Ja. Und ich werde mich inzwischen bemühen, mir das Ohr des Rates zu verschaffen und eine allzugroße Verwirrung zu verhindern.«
    Jon und Arkor schritten zur Tür. Einen Moment, ehe sie sie schlossen, wiederholte Jon mit unsicherer, fragender Stimme: »Eine Wahnvorstellung?«
    Die Herzogin blickte von dem Bericht auf, den sie begonnen hatte.
    »Du hast keine Zeit, dir darüber Sorgen zu machen«, sagte Arkor scharf. »Es bleibt dir vielleicht lediglich genug, ein- oder zweimal darüber nachzudenken, um dich zu überzeugen, daß es das nicht sein kann.«
     

 
6.
     
    Man reiße einen Menschen aus seiner Welt und schleudere ihn in eine andere.
    Seine Stiefel schlugen auf dem Schlamm auf. Er befand sich im Feindgebiet – jenseits der Barriere. Er drückte die Arme fest gegen seine Brust und kämpfte gegen die Aufregung an, die sich in Handgelenken und Schultern zitternd bemerkbar machte. Der Boden hier war weich wie in den Lachen, die die Flut an der Küste hinterließ. Der Dunst vor ihm war so dicht und feucht wie die Herbstnebel, die sein Boot eingehüllt hatten, wenn er früh morgens zum Fischen fuhr. Die Kühle des Oktobers hing in der Luft. Und der Himmel hinter dem Nebel glühte schwach wie polierte – Muscheln …
    Nein, etwas erlaubte nicht, daß er daran dachte. Tel stapfte vorwärts und bemühte sich, etwas zu sehen. Er fühlte sich ein wenig unsicher, wie damals, als ihm die Ruder seines Kahnes ins Meer geglitten waren und er sechs Stunden im Nebel herumtrieb. Einen kurzen Augenblick löste sich der Dunst, und er erspähte das Barackenlager, in dem er sich melden sollte.
    Der Boden wurde nun ein wenig fester, und kurz darauf trat er durch die Tür der vordersten Baracke. »Hallo?« rief er. Es brannte kein Licht. Er spürte den Nebel in der Dunkelheit. Der vertraute Geruch machte alles irgendwie wirklicher, lebendiger. Und doch befand er sich irgendwo auf einem halbtoten Flecken, auf einer ungeschützten Narbe der verwüsteten Erdkruste. »Hallo?« rief er erneut.
    »Ebenfalls hallo«, erklang eine bekannte Stimme. Ein Gesicht materialisierte sich aus dem Nebel. »Du hast also hierhergefunden.« Ptorn lachte. »Gut für dich. Ganz ordentliche Reise, hm?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Ich glaube, das da drüben ist deine Pritsche.«
    Entlang der Wand konnte Tel eine Reihe von Feldbetten in der Düsternis sehen. »Wo ist eigentlich der Feind? Und wo sind alle anderen?«
    »Wir sind ziemlich weit hinter der Front«, erklärte Ptorn. »Und die anderen werden bald da sein.«
    »Hier sieht man ja so gut wie

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