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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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und Hemd und Hose klebten an ihm.
    »Reiß dich zusammen«, knurrte Quorl. »Ich habe nicht die Absicht, dich zurückzuschleppen. Und jetzt komm, wir können nicht die ganze Nacht hierbleiben.«
    Tels Beine wollten nicht gehorchen. Bei den ersten Schritten waren sie weich wie Gummi. »Wo – wo sind wir hier?«
    »Etwa vierzig Meter von einem feindlichen Vorposten entfernt.«
    Tel keuchte erschrocken. »Ich – ich dachte, sie seien fünfundvierzig Kilometer weg. So – so weit kann ich doch nicht gekommen sein.«
    »Sie warten schließlich nicht darauf, daß wir zu ihnen kommen! Marsch, weiter. Wir sind hier alles andere als sicher.«
    »Wa-wart doch …«, ächzte Tel. »Sind sie wirklich nur – ich meine, hast du sie echt gesehen? Du könntest sie mir doch auch zeigen …«
    »Bei diesem Nebel müßtest du schon verdammt nahe herankommen, um überhaupt etwas zu sehen.« Dann klang Quorls Stimme genauso amüsiert wie am Morgen, als er Tel beigebracht hatte, wie er den Flip-Flap locken mußte. »Willst du wirklich so dicht an sie heran?«
    Tel biß die Zähne zusammen, daß es schmerzte, und schüttelte den Kopf. »Na also«, brummte Quorl. »Dann wollen wir schauen, daß wir weiterkommen.« Nach einer Minute murmelte er. »Ich habe sie auch noch nicht gesehen.«
    Endlich glühten die Feuer des Lagers durch den Nebel vor ihnen. »Eh – danke. Warum – warum hast du dir die Mühe gemacht, nach mir zu suchen?«
    »Du bist ein guter Mechaniker. Die 606-B ist eine wichtige Maschine.«
    Als sie am Wegweiser vorbeikamen, hörten sie ein zwitscherndes Glucksen, dann ein heftiges Tschilpen. Etwas flep-flapte über Tels rechten Stiefel.
    »Er ist den ganzen Abend hier herumgehüpft und konnte nicht verstehen, weshalb du ihn alleingelassen hast«, sagte Quorl. »Er fühlte sich sehr einsam.«
    »Wie?« Tel blieb stehen und blinzelte. Dann bücke er sich und streckte den Arm aus. Die Entenfüße klammerten sich zutraulich um sein Handgelenk.
    »Du willst doch nicht behaupten, daß du die ganze Zeit hier auf mich gewartet hast? Und jetzt schaust du mich mit deinen großen Augen unschuldig an und willst mir sagen, ich sei ganz umsonst dort draußen in dem verdammten Nebel herumgerannt … Du solltest dich schämen! Ja, wirklich!« Der schreckliche Druck ließ nach, und ungeheure Erleichterung durchflutete ihn, gepaart mit einer großen Zärtlichkeit für das anschmiegsame Wesen. Als er hochblickte, rollten Tränen über seine Wangen.
    Quorl war im Nebel verschwunden.
     
    Das allnächtliche Zumaspiel wurde gerade abgebrochen. Tel fischte ein Stück warme Holzkohle aus dem ersterbenden Feuer, fütterte den Flop-Flip damit, und setzte ihn in der Nähe der Glut ab, damit er sich ein wenig aufwärme. »Mann«, rief Illu, als er Tel sah. »Wir dachten schon, es hätte dich erwischt. Was hattest du denn da draußen zu suchen?«
    »Ich wollte mich nur ein wenig umsehen«, murmelte Tel verlegen.
    »Schau dich nur ja nicht zu nah beim Feind um. Du weißt ja, daß er schon viel näher heran ist.«
    »Ja«, flüsterte Tel. »Ich habe es gehört.«
    Als Tel unter die Decke schlüpfte, stützte der Soldat neben ihm sich auf die Ellbogen und sagte, »du lebst ja noch!«
    Tel lachte. »Sieht ganz so aus.«
    Sein Nachbar pfiff durch die Zähne. »Ich muß zugeben, das erstaunt mich. Der Feind ist schon ganz nah. Es wird bald was los sein.«
    »Du meinst, eine Schlacht?«
    »Zuma bestimmt nicht.« Tel hörte wie der Soldat sich auf das Kissen zurückwarf. »Gute Nacht. Ich freue mich, daß du wieder da bist, Junge.«
    »Danke«, erwiderte Tel und rollte sich auf die Seite.
     

 
9.
     
    Flap-Flap, Flap-Flap, Flap-Flap flatterte das Zelltuch, das sie über dem Vibraphon zurückgeschlagen hatte. Ihr Notizbuch lehnte offen auf dem Notenständer. Eine merkwürdige Skizze von übereinandergereihten Linien verlief über die Seite. Hier und da waren sie von einem, manchmal auch zwei oder drei Bindestrichen unterbrochen. An der unteren rechten Ecke war eine sorgfältig ausgeführte Zeichnung eines Blattes. Das Modell hatte der Wind über das Feld hereingetragen. Es hatte sich auf dem Vibraphon niedergelassen und ihr acht Minuten gegeben, seine feine Verästelung und den Zackenrand auf dem Papier zu verewigen, ehe ein weiterer Windstoß es wieder forttrug.
    »Was kritzeln Sie denn da?«
    Clea drehte sich um, lächelte. »O hallo, Mr. Triton.«
    Der rotgesichtige, bärtige Mann lehnte sich gegen das Musikinstrument und blickte über die Zelte und

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