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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Information ist auch in den Gehirnen der wichtigeren der Ratsmitglieder. Die Waldwächter schützen sie ebenfalls. Clea scheint es jedoch völlig allein herausbekommen zu haben und lehnte es dann als zu unglaublich ab. Alter, bitte paß auf, was sie sagt, vielleicht stellt sich doch etwas heraus.«
    »Ich dachte, ich wäre endlich heraus aus diesem Geschäft«, murmelte Alter. »Aber ich werde aufpassen.«
     
    Lichterketten baumeln zwischen Zelt und Buden. Paare spazieren dahin und zerknüllen ihre fettigen Plastikbeutel. Ein wirbelndes Karussell wirft bunten Schein auf die Seepferdchen und Schildkröten im Aquarium. Kinder kriechen unter der Zeltleinwand hindurch und laufen die mit Sägemehl bestreuten Gänge entlang. Delphine springen aus dem Wasser hoch. Und das Vibraphon spielt schneller.
     
    »Wie gefällt es dir, Junge?« Mr. Triton blieb neben dem blonden Burschen in der Waldwächterkleidung stehen, der zu den Trapezkünstlern hochblickte.
    »Toll. Ich habe noch nie so etwas gesehen.«
    »Nie?« Mr. Triton musterte die hochaufgerichtete Gestalt. Seiner Größe nach war der Junge ganz sicher kein Waldwächter. »Dann muß es ja ziemlich aufregend für dich sein.« Die Zuschauer in den Reihen applaudierten lautstark.
    »Es ist bestimmt sehr schwierig«, murmelte Let.
    »Das ist es allerdings. Aber weißt du, was das Schwerste von allem ist? All diese Künstler hier zu betreuen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nun, ich muß dafür sorgen, daß sie bei guter Laune bleiben und Brauchbares leisten. Wenn ich so überlege, ich habe hier schon ziemlich alles getan, angefangen von diesem verdammten Vibraphonspielen bis zur Dressur von Mörderhaien.« Er hielt inne und schaute zu den Trapezkünstlern hoch. »Aber dort oben war ich nur einmal ganz kurz. Das ist nichts für mich.« Wieder klatschte das Publikum begeistert. »Doch sich um alles zu sorgen, ist wahrhaftig das Schwierigste. Man muß jedem zuhören, sie aufmuntern, trösten, sich eben darum kümmern, daß sie glücklich sind.«
    »Und wie schaffen Sie das?«
    »Überhaupt nicht. Zumindest bei weitem nicht so gut, wie ich gern möchte. Manchmal läßt man alle abstimmen. Dann muß man weitschauend sein. Und wenn sie sich in den Haaren liegen, muß man dazwischen treten und ihnen hart die Meinung sagen. Tut man einem versehentlich Unrecht, entschuldigt man sich möglichst schnell und versucht, es wieder gutzumachen, wenn man kann.«
    »Und dann?«
    »Dann kann man nur hoffen, daß alles gutgeht und die Show auch im nächsten Jahr volle Kassen bringt.«
    Der Prinz blickte wieder zu den Salto schlagenden Artisten hoch.
    »Sie sind bewundernswert«, flüsterte er. »Diese Kraft und Feinheit und Schönheit zugleich. Für so etwas tut man viel.«
    »Ja«, pflichtete ihm Mr. Triton bei und faltete die Hände über dem Bauch. »Ja, das tut man. Du würdest einen guten Zirkusmann abgeben, mein Junge.«
     
    Einige der Lichter um die Buden sind bereits erloschen. Der Stand mit dem Bratfisch und der mit den Wurf ringen stehen noch offen. Paare halten Händchen, und die Mädchen lehnen den Kopf an die Schulter des Liebsten. Die Autoscooter stoßen zum Gelächter ihrer Fahrer immer noch gegeneinander. Die Kinder stehen auf den schmalen Zirkusstraßen, reiben sich die Augen und gähnen. Der Teufelsrochen sprüht den Sand am Boden seines Aquariums hoch. Und der Vibraphonspieler ist aus dem Wagen gestiegen, um sich etwas zu essen zu besorgen.
     
    Clea beschloß, noch vor dem Zubettgehen einen kurzen Spaziergang um den Zirkus zu machen. Sie kam an einem der kleineren Zelte vorbei, als sie irgendwie spürte, daß sie beobachtet wurde. Sie drehte den Kopf und sah den narbigen Riesen neben ihrem Bruder, etwa fünfzehn Meter entfernt.
    Er sieht aus, als versuche er, in meinen Kopf zu schauen, dachte sie. Dann wischte sie diesen Gedanken zur Seite. Sie hatte in letzter Zeit ohnehin kaum an etwas anderes als ihr neues Projekt gedacht. Es war eine erstaunlich schöne, tiefgründige Einheitsfeldtheorie. Sie war bedeutend einfacher als jede, die sie kannte – oder würde es zumindest sein, wenn sie damit fertig war. In Türmen der Logik erhob sie sich, tauchte in Ozeane widerhallender Obertöne unter syllogistischen Rhythmen und umschloß all ihre bisherige Arbeit an willkürlichen Raumkoordinaten. »… es ist möglich, zwischen zweihundert und dreihundert Pfund Materie an jeden Punkt des Erdballs zu befördern …«
    Nein, nicht daran denken. Verdränge diesen Gedanken mit dem

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