Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
Vom Netzwerk:
Prahlerei.«
    »Ich weiß, daß Ihr Euer Bestes geben werdet«, hatte Vestens erwidert und einen tiefen Seufzer ausgestoßen. »Verzeiht, wenn ich Euch impertinent erschien. Meine Sorge um Joan ließ mich die gebotene Zurückhaltung vergessen.«
    »Ihr scheint Euch ihm sehr verbunden zu fühlen.«
    »Mein Vater ist früh gestorben. Joan ist für mich wie ein zweiter Vater oder wie ein älterer Bruder. Sein Bruder Cornelis ist dem alten Willem Blaeu schon nach wenigen Jahren ins Grab gefolgt. Kurz zuvor hatte ich in Blaeus Werkstatt in der Bloemgracht angefangen, damals noch als Kartenstecher.« Vestens hatte seine Hände erhoben. »Aber diese Bärenpranken, wie Joan sie einmal genannt hat, waren für die feine Arbeit mit dem Grabstichel nicht geeignet. Joan hat mich ins Kontor versetzt, und die Arbeit dort liegt mir sehr.«
    »Und mit der Zeit seid Ihr zu Blaeus rechter Hand geworden.«
    »So kann man es sagen. Aus der Zusammenarbeit ist eine Freundschaft erwachsen, und nur deshalb habe ich Euch um dieses Gespräch gebeten, Mijnheer Katoen. Um Joans und Eurer selbst willen: Gebt gut acht, wenn Ihr heute nacht unterwegs seid!«
    Katoen lachte in sich hinein, als er sich an das Gespräch mit Vestens erinnerte. Der Hauptkontorist hatte gut reden. Hier draußen am Hafen, zu mitternächtlicher Stunde, eingehüllt von Dunkelheit und Nebel, nützten weise Ratschläge wenig. Hier konnte er sich nur auf sich selbst verlassen, auf seinen Verstand, seine Sinne und darauf, daß sich die Übungsstunden, die er bei Robbert Cors genommen hatte, in der Not als hilfreich erwiesen.
    Seine innere Anspannung wuchs, als vor ihm die undeutlichen Umrisse des Grünen Papageis auftauchten. Gleichzeitig erklang dumpfes Glockenläuten, das die zwölfte Stunde verkündete.
    Mitternacht. Er war auf die Minute pünktlich. Und die Kartenschnapper?
    Als er auf das verlassene Gebäude zutrat, erscholl eine rauhe Stimme, die er nicht zum ersten Mal hörte: »Guten Abend, Katoen, Ihr seid ja die Pünktlichkeit in Person.« Aus dem Nebel löste sich die Gestalt des Kupplers Dircks, der langsam auf ihn zukam. »Um so besser, bei diesem Wetter stehe ich nicht gern unnütz im Regen herum.«
    »Ihr schon wieder?« Katoen war nicht wenig überrascht. »Hättet Ihr mir das vorher gesagt, hätten wir den Weg gleich zusammen gehen oder uns ganz sparen können.«
    »Tut mir leid, wenn Ihr jetzt enttäuscht seid.« Dircks grinste in einer Weise, die seine Worte Lügen strafte. »Ich befolge nur meine Anweisungen. Aber wenn es Euch tröstet, auch ich reiße mich nicht gerade um Eure Gesellschaft.« Er zeigte auf den großen Lederbeutel. »Da sind wohl die Wechsel drin, was?«
    »Im Gegenzug erwarte ich die Ware.«
    »Die habe ich nicht, leider.« Dircks schnitt eine Grimasse, die wohl so etwas wie Bedauern ausdrücken sollte, während in seinen Augen unverhohlene Gier flackerte.
    »Warum seid Ihr dann hier?« fragte Katoen. Er spürte, daß es mit seiner Geduld bald ein Ende haben würde. Die vergangenen dreißig Stunden waren sehr aufreibend gewesen, und das machte sich bemerkbar.
    »Ich soll Euch den Treffpunkt nennen.«
    »Ich dachte, dies hier sei der Treffpunkt.«
    »Nur für uns beide. Ihr müßt weiter zu den Hafenanlagen draußen vor der Stadt. Haltet nur auf die Hafenglocke zu, der Rest wird sich finden.«
    Und schon war Jaepke Dircks so plötzlich im Nebel verschwunden, wie er daraus aufgetaucht war. Katoen starrte auf die Stelle, an der der Kuppler eben noch gestanden hatte, und dachte über dessen Botschaft nach.
    Die Hafenglocke stand außerhalb der Stadtmauern inmitten des Wirrwarrs aus Schiffsanlegern und Hafengebäuden, in dem sich tagsüber Hafen-und Werftarbeiter, See-und Schauerleute tummelten. Das abendliche Läuten der Glocke war für alle das Zeichen, daß die Stadttore bald geschlossen wurden und daß es an der Zeit war, den äußeren Hafen zu verlassen. Es war ein eigenartiges Schauspiel, wenn die Geschäftigkeit Tausender Menschen auf einen Schlag zum Erliegen kam und alle den nördlichen Stadttoren zustrebten. Binnen Minuten war der Hafen dann verlassen und gehörte für die Nacht wieder dem Meer, dem man ihn entrissen hatte. Lediglich ein einsames Gasthaus gab es da draußen für die Besatzungen und Passagiere spät einlaufender Schiffe, die dort ausharren mußten, bis Amsterdam am nächsten Morgen seine Tore wieder öffnete.
    Die Stadttore waren schon seit Stunden geschlossen, aber Katoen als Amtsinspektor würde keine Schwierigkeiten

Weitere Kostenlose Bücher