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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Büttel verstanden den Hinweis und bugsierten ihren Gefangenen auf den letzten freien Stuhl. Dann bezog Deckert Posten vor der Tür, während Bogaert sich vor die Fenster stellte.
    Endlich löste Blaeu sich aus der Starre, die ihn befallen hatte, und sah Vestens kopfschüttelnd an. »Mein Herz will nicht glauben, was mein Verstand mir sagt, aber es ist wohl so. Warum, Barent, warum? Habe ich dich nicht immer wie meinen eigenen Sohn behandelt?«
    »Redet Euch das nur ein!« brach es aus Vestens hervor. »Am Anfang mag es vielleicht so gewesen sein, und einmal habt Ihr sogar gesagt, ich sei wie ein Sohn für Euch, aber als Eure leiblichen Söhne heranwuchsen, war davon nicht mehr die Rede. Ich habe mich für Euch krummgelegt und habe meinen Teil dazu beigetragen, daß Euer Geschäft wuchs und Ihr die neue Werkstatt hier in der Gravenstraat einrichten konntet. Aber in Eure Familie habt Ihr mich nicht aufgenommen, mich nie Euren Sohn genannt, und nie habt Ihr mir meine Arbeit gedankt!«
    »Das stimmt nicht, Barent. Ich habe mich immer um dich gekümmert, habe dich ins Kontor geholt, als sich herausstellte, daß die Arbeit als Kartenstecher nichts für dich ist. Ich habe für dich mehr getan als für jeden anderen meiner Angestellten, und nicht zuletzt habe ich dich auch weitaus besser bezahlt.«
    »Trotzdem bin ich immer genau das geblieben, ein Angestellter. Hätte man mich entführt, hättet Ihr bestimmt nicht Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um mich zu beschützen!«
    Während Vestens all die Anschuldigungen hervorbrachte, die sich über viele Jahre hinweg in ihm aufgestaut hatten, tropfte unaufhörlich sein Blut auf die hellen Fliesen. Niemand störte sich daran, am wenigsten Joan Blaeu. Mit wachsender Fassungslosigkeit starrte er seinen Hauptkontoristen an, ganz so, als sähe er ihn zum ersten Mal richtig.
    Schließlich ergriff Katoen das Wort: »Ihr habt also beschlossen, Euch das, was Euch Eurer Auffassung nach zusteht, selbst zu holen, und zwar mit Hilfe der Kartenschnapper.«
    Vestens grinste unvermittelt. »Ja, das war einfacher, als ich dachte. Ich mußte mich nur ein paar Abende im Labyrinth herumtreiben, und schon bin ich mit denen in Verbindung gekommen. Ich habe schnell festgestellt, daß mit den einst so gefürchteten Kartenschnappern nicht mehr viel los war. Ihr letzter Anführer hatte sich abgesetzt, weil er genug Beute gemacht hatte, und die Reste seiner Bande waren in der Auflösung begriffen. Da habe ich die Sache in die Hand genommen und sie wieder zusammengebracht. Hier im Kontor habe ich schließlich gelernt, wie man ein Geschäft führt.«
    Jetzt verstand Katoen, warum vor dem Einbruch bei Blaeu von den Kartenschnappern lange Zeit so wenig zu hören gewesen war.
    »Was ist mit den Leuten, die Blaeus Angehörige entführt haben?« fragte er.
    »Was soll mit ihnen sein?« erwiderte Vestens.
    »Was wißt Ihr über sie?«
    »Sie sind gefährlich, sonst nichts.«
    »Ihr habt noch keine Verbindung zu ihnen aufgenommen, um ihnen die Karte der Tulpenküste und das Manuskript des Kreuzfahrers anzubieten?«
    »Das wäre noch gekommen, morgen.«
    »Wieso morgen?«
    Vestens grinste erneut, und diesmal zog sich sein Grinsen über das ganze Gesicht. »Weil unser vertrauensseliger Freund Joan mich morgen als seinen Verbindungsmann zu ihnen schicken wollte.«

K APITEL 24
    Das Versprechen
    N achdem ein von Henk Bogaert herbeigeholter Arzt Barent Vestens’ Wunden versorgt hatte, schafften sie den Gefangenen ins Rathaus und sperrten ihn im Keller ein. Der Tumult in Joan Blaeus Privatkontor sorgte für einige Aufregung in der Gravenstraat, und Katoen bat den Kartenmacher, seinen Angestellten und Nachbarn gegenüber Stillschweigen zu bewahren. Blaeu versprach es, wirkte dabei aber seltsam geistesabwesend. Die Aufregungen der vergangenen Tage waren wohl zu viel für ihn gewesen; auf Katoen machte er den Eindruck eines gebrochenen Mannes. Er widersprach auch nicht, als Katoen die Karte der Tulpenküste und das alte Manuskript wieder in Verwahrung nahm. Er bat den Amtsinspektor nur nachdrücklich, er möge sich um die Unbekannten kümmern, die Blaeus Familie bedrohten. Vermutlich traute er den Behörden, was den Schutz seiner Familie betraf, nach wie vor wenig zu, aber nach der erlittenen Enttäuschung brachte er schlicht nicht mehr die Kraft auf, selbst etwas zu unternehmen.
    Nach einem schnellen Mittagsmahl, das er in einer Garküche am Dam einnahm, besuchte Katoen den neuen Gefangenen in seiner Zelle. An eine

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