Die Tulpe des Bösen
Sohn die Geschäfte und war dabei ebenso erfolgreich wie der Vater.
Der Atlas Maior den Joan Blaeu in mehreren Bänden veröffentlicht hatte und in dem auf penibel gearbeiteten Kupferstichtafeln die ganze bekannte Welt abgebildet war, hatte ihm großen Ruhm eingebracht. Joan Blaeu war, wie schon sein Vater, der offizielle Kartograph der Ostindischen Handelskompanie, und ohne seine Seekarten hätte wohl so manches Schiff sein fernes Ziel nie erreicht, wäre so mancher Handelsstützpunkt nie gegründet worden, hätte so manche Ladung exotischer Hölzer und Gewürze ihren Weg nach Amsterdam nicht gefunden. Die Kapitäne der großen, stolzen Ostindienfahrer wurden als Helden gefeiert, wenn sie ihr Schiff nach vielen Monaten auf See wohlbehalten und reich beladen zurück in die Heimat führten, aber ohne Männer wie Joan und Willem Blaeu, die still im Hintergrund wirkten, hätten sie ihre Erfolge nicht erringen können.
Joan Blaeu war einer der wichtigsten Bürger Amsterdams: der erste Kartograph, den man in den Magistrat berufen hatte. Seine weitreichenden Geschäftsbeziehungen hatten ihn über die Grenzen der Niederlande hinaus berühmt gemacht: In Wien hatte er eine Filiale eröffnet, und der König von Schweden hatte ihn zu seinem Drucker ernannt. Zu alledem war er offenbar auch ein ›Verehrer der Tulpe‹.
»Mijnheer Blaeu, es ist mir eine große Ehre«, sagte Katoen. »Ich wußte nicht, daß Ihr auch zu diesem erlauchten Kreis von Tulpenfreunden gehört.«
Blaeu lächelte. »Wer tagsüber hart arbeitet, hat sich für die Abende eine Beschäftigung verdient, die ihm ein wenig Freude und dem angestrengten Geist Abwechslung verschafft. Schon bei meinem Vater war das die Leidenschaft für die Tulpe, und ich habe diese Leidenschaft, wie es scheint, geerbt.«
Wieder dachte Katoen an Willem Blaeu, und ein seltsamer Zufall – wenn es denn einer war – kam ihm in den Sinn. »Starb Euer Vater nicht zur Zeit der großen Tulpenkrise?«
»In dem Jahr, das auf den Zusammenbruch des Tulpenmarktes folgte, im Oktober 1638. Aber da gibt es keinen Zusammenhang, falls Ihr darauf hinauswollt. Mein Vater war klug genug, die Tulpe als schönen Zeitvertreib zu betrachten, nicht aber als Geldanlage, wie so viele seiner Geschäftsfreunde es getan haben, einige zu ihrem großen Unglück.«
»Auch heute noch scheint die Tulpe so manchem Unglück zu bringen.« Katoen zog abermals die Holzdose hervor und öffnete sie. »Ihr wißt vermutlich, daß dieses Blütenblatt bei Euren ermordeten Freunden gefunden worden ist.«
»Ja. Ich habe heute das Volksblatt gelesen. Allerdings bin ich keineswegs der Meinung, daß die Behörden nichts zur Ergreifung des Mörders unternehmen. Vielmehr habe ich den Eindruck, daß Ihr hart an der Aufklärung des Falles arbeitet, Mijnheer Katoen.«
Nicolaas van der Zyl, der einen Teil ihres Gespräches mit angehört hatte, gesellte sich zu ihnen. »Darauf könnt Ihr Euch verlassen, lieber Joan. Jeremias Katoen ist mein bester Ermittler. Wenn jemand den Tulpenmörder, wie der Schmierer Swildens ihn genannt hat, fassen kann, dann er!«
»Das höre ich gern.« Mit diesen Worten nahm Blaeu das Tulpenblatt aus Katoens Dose und betrachtete es aus der Nähe. »Wirklich außergewöhnlich, solch ein Muster habe ich noch nie gesehen, weder in der Natur noch auf einer Abbildung. Eine wahrhaft seltene Sorte. Für eine Zwiebel davon würde ich schon ein paar Gulden springen lassen.«
»Das würde wohl so mancher von uns«, sagte der Amtsrichter. »Wobei ich Katoen recht geben muß, wenn er im Zusammenhang mit dieser besonderen Tulpe von Unglück spricht.«
»Wohl wahr«, seufzte Blaeu und gab Katoen das Blütenblatt zurück.
»Ihr habt vorhin einen Namen erwähnt, Mijnheer Blaeu«, hakte Katoen nach. »Torp oder so ähnlich.«
»Van Dorp, Willem van Dorp. Wenn einer in Amsterdam diese ungewöhnliche Tulpe kennt, dann er! Oder was meint Ihr, Freund Nicolaas?«
»In der Tat, der könnte uns helfen. Darauf hätte ich auch selbst kommen können!«
»Ist er nicht hier?« fragte Katoen. »Gehört er nicht zu den ›Verehrern der Tulpe‹?«
Zu seiner Verwunderung löste die Frage bei den beiden anderen große Belustigung aus.
»Verzeiht«, sagte der Kartograph schließlich und wischte sich mit einem weißen Tuch ein paar Lachtränen aus den Augenwinkeln. »Wir haben uns nicht über Euch lustig gemacht, Mijnheer Katoen, aber der alte van Dorp auf solch einem Fest, das ist wirklich eine erheiternde
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