Die Tulpe des Bösen
Vorstellung.«
»Inwiefern?«
»Er ist ein echter Einsiedler«, erklärte Blaeu. »Außer ein paar Dienstboten duldet er niemanden in seiner Nähe – nur seine Tulpen. Es heißt, der arme Irre spreche sogar zu den Blumen. Besuch empfängt er kaum, und so etwas wie Freunde kennt er nicht. Die könnten ihm seine wertvollen Tulpen, von denen er tatsächlich eine überaus ansehnliche Sammlung besitzt, stehlen. Deshalb lebt er auch außerhalb der Stadt, auf einem großen, streng bewachten Anwesen an der Straße nach Utrecht.«
»Dann muß er wohlhabend sein.«
»Das ist er«, sagte van der Zyl. »Er hat während des Tulpenfiebers nicht ein Vermögen verloren, sondern eins gewonnen. Deshalb steht er in der Gunst vieler, die damals weniger Glück hatten, nicht eben hoch.«
»Ich werde ihn morgen aufsuchen«, versprach Katoen.
»Tut das.« Van der Zyl nickte ihm aufmunternd zu. »Und jetzt bitte ich, mich zu entschuldigen. Ich muß einmal sehen, wo der Weinnachschub bleibt.«
Nachdem der Amtsrichter sich entfernt hatte, trat Blaeu dicht an Katoen heran und sagte mit gedämpfter Stimme: »Nicolaas ist sehr von Euch eingenommen, Mijnheer, das macht mir Mut.«
»Wozu braucht Ihr Mut?« fragte Katoen leicht verwirrt.
»Ich möchte Euch um Hilfe bitten, in einer schwierigen Angelegenheit, die unbedingt diskret behandelt werden muß. Unterderhand, versteht sich.«
»So unter der Hand, daß nicht einmal der Amtsrichter von Amsterdam es wissen darf?«
Blaeu wirkte jetzt nicht mehr ganz so überlegen wie zu Beginn ihres Gesprächs. Ein paar Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn, und er fingerte an seiner Halskrause herum, als sei sie ihm plötzlich zu eng geworden. »Wie ich schon sagte, es handelt sich um eine schwierige Angelegenheit, die mir, sollte sie öffentlich bekanntwerden, geschäftlich großen Schaden zufügen könnte. Daher möchte ich Euch um absolute Verschwiegenheit ersuchen.«
»Solange Ihr mich nicht um etwas Gesetzwidriges bittet, könnt Ihr Euch auf meine Diskretion verlassen, Mijnheer Blaeu. Aber worum handelt es sich?«
»Nicht hier, nicht jetzt.« Der Kartograph blickte sich beinahe gehetzt um. »Hier sind zu viele Menschen auf zu engem Raum, zu viele Ohren. Besucht mich doch morgen in meiner Werkstatt in der Gravenstraat, da können wir alles Weitere besprechen. Ach, noch etwas: Wenn Ihr mir helft, soll es Euer Schaden nicht sein.«
Mit diesen ebenso ominösen wie verheißungsvollen Worten verabschiedete Blaeu sich von Katoen, und kurz darauf verließ er das Fest. Ein wenig erschien es Katoen, als sei der Kartograph an diesem Abend nur seinetwegen zu van der Zyl gekommen.
Während er noch über Blaeus Ansinnen nachdachte, trat Catrijn, die ihr Virginalspiel soeben beendet hatte, auf ihn zu. Erneut bewunderte er ihre Schönheit, die durch das elegante blaue Samtkleid besonders zur Geltung kam. Die blonden Locken bildeten einen reizvollen Kontrast zu dem dunklen Stoff, und das dreieckige Dekolleté gewährte einen vielleicht etwas zu tiefen Einblick in ihre üppige Pracht. Kunstvoll drapierte Perlenketten krönten ihr Haupt, und um ihren weißen Hals lag eine goldene Kette mit einem Perlenanhänger, der zwischen den Wölbungen ihres Busens beinahe verschwand.
»Ihr habt mich enttäuscht, Mijnheer«, sagte sie mit gespielter Strenge und warf ihm einen betont vorwurfsvollen Blick zu.
Katoen schlug mit der flachen Hand gegen seine Brust. »Ich? Wodurch könnte ich Euer Mißfallen erregt haben?«
»Gar nichts habt Ihr getan, und eben das finde ich nicht schön. So gut wie jeder hier hat sich ein Lied von mir gewünscht, Ihr aber nicht!«
»Ich war zu beschäftigt, aber ich werde den Spendentopf natürlich trotzdem füttern.«
»Darum geht es mir nicht. Es ist eine Enttäuschung für mich, daß meine Musik Euch so wenig zu bedeuten scheint. Womöglich gefällt sie Euch nicht?«
Katoen fühlte sich unbehaglich. Es war eines jener Gespräche, wie nur Frauen sie zu führen vermochten, indem sie mit der Erwartungshaltung der Männer spielten. Die Schwester des Amtsrichters verfolgte, da war er sich sicher, ein bestimmtes Ziel, ging aber nicht geradewegs darauf los, sondern tänzelte geschickt um ihre eigentliche Absicht herum, verwirrte ihn und würde wohl dann auf das Wesentliche kommen, wenn er es am wenigsten vermutete.
»Ihr täuscht Euch, Euer Spiel hat mir ausnehmend gut gefallen.«
Catrijn drohte ihm mit erhobenem Zeigefinger. »Ihr wollt mich nur einwickeln. Immer, wenn ich in den
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