Die Tulpe des Bösen
solltet Ihr die angenehmen Seiten des Lebens nicht vernachlässigen. Oder gerade deshalb.« Der Amtsrichter lachte. »Meine Schwester und ich wollen morgen abend eine kleine Bootspartie mit Picknick unternehmen. Seid dabei doch bitte unser Gast! Ihr kennt Catrijn ja. Sie würde sich bestimmt freuen, Euch wiederzusehen.«
Katoen zögerte. Wußte der Amtsrichter, was nach der Geselligkeit in seinem Haus zwischen seiner Schwester und dem Amtsinspektor geschehen war? Ahnte er es zumindest? Vielleicht hatte Catrijn etwas angedeutet. Jedenfalls klang die Einladung eingedenk der vorangegangenen Worte van der Zyls gar nicht so, als habe er etwas gegen eine Verbindung von Katoen und Catrijn einzuwenden, ganz im Gegenteil. Was Katoen verwunderte, aber auch erfreute. Offenbar hatte er sich diesbezüglich ganz unnötig Sorgen gemacht. Und da er Catrijn unter diesen Umständen nur zu gern wiedersehen wollte, nahm er die Einladung schließlich an.
»Wunderbar«, sagte van der Zyl erfreut. »Dann erwarte ich Euch morgen abend um fünf beim Boot. Es liegt direkt vor meinem Haus. Das Wetter scheint sich zu bessern, es wird gewiß ein herrlicher Ausflug!«
Als Katoen das Zimmer des Amtsrichters verließ, war er bester Laune, was ihm sein Abenteuer der vergangenen Nacht als nicht mehr gar so unerquicklich erscheinen ließ. Daß van der Zyl ihn auf den Bootsausflug einlud und dabei ganz offen von seiner Schwester sprach, war mehr als nur ein gutes Zeichen. Es öffnete ihm die Tür in eine neue Welt, in die Kreise der verdientesten Bürger von Amsterdam. Schon sah er sich, Catrijn an seiner Seite, als einen der Ihren.
Bislang hatte er nicht recht gewußt, wohin es in seinem Leben noch gehen würde. Gewiß, als Amtsinspektor hatte er, der Sohn eines einfachen Seemannes, es zu etwas gebracht, und anfangs war er sehr stolz gewesen auf das, was er erreicht hatte. Aber mittlerweile fühlte er eine seltsame Leere in sich – und den Wunsch, seinem Leben etwas hinzuzufügen, etwas Wichtiges, Entscheidendes.
Eine Frau und Kinder, eine Familie, war es das, was ihm fehlte? Ja, das war es wohl. Während seines Beisammenseins mit Felix hatte er sich wie ein Vater gefühlt, der zu seinem Sohn spricht, und es war ein gutes Gefühl gewesen. Die Worte des Amtsrichters ließen das bisher Nebelhafte in greifbare Nähe rücken, und von einer inneren Hochstimmung erfüllt, suchte Katoen seine Dienststube auf. Er summte ein schwungvolles Seemannslied vor sich hin, das er in einem Musico aufgeschnappt hatte.
Sobald er die Zimmertür geöffnet hatte, verstummte er schlagartig. Da saßen Jan Dekkert und Joris Kampen, und ihre Mienen verrieten, daß sie seine gute Laune befremdlich fanden.
»Gibt es gute Neuigkeiten?« fragte Dekkert. »Dann laßt sie uns doch wissen!«
Katoen schloß die Tür hinter sich, legte seinen Hut ab und nahm Platz. »Nichts Weltbewegendes. Ich komme gerade von van der Zyl, und er hat mich seines Vertrauens in unsere Arbeit versichert. Was habt Ihr herausgefunden?«
In Kampens sonst immer etwas müde wirkenden Augen leuchtete es auf. »Wir wissen etwas über Jaepke Dircks!«
»Und was?«
Bevor Kampen die Frage beantworten konnte, beugte Deckert, der eindeutig der hellere und regere von beiden war, sich zu Katoen vor. »Warum sind wir eigentlich hinter Dircks her? Sollten wir nicht all unsere Kräfte darauf verwenden, den Tulpenmörder zu fassen?«
»Vielleicht fassen wir ihn gerade dann, wenn wir uns den Kuppler noch einmal vorknöpfen.«
»Ihr sprecht in Rätseln.«
Es war an der Zeit, seine beiden Büttel einzuweihen. Er war auf ihre Hilfe angewiesen, also öffnete er den Lederbeutel, den er von Blaeu erhalten hatte, und zählte jedem der beiden zehn Gulden in die Hand.
»Wofür ist das?« fragte Dekkert verblüfft.
»Ihr solltet lieber fragen, von wem.«
Dekkert sah ihn gespannt an. »Also gut, von wem?«
»Von dem ehrenwerten Joan Blaeu«, sagte Katoen und erzählte ihnen von seinen Gesprächen mit dem Kartenmacher, von den nächtlichen Ereignissen beim Grünen Papagei und von seinem Verdacht gegen Blaeu.
Dekkert kicherte. »Also laßt Ihr Euch von Meister Blaeu dafür bezahlen, daß Ihr insgeheim gegen ihn ermittelt!«
»Wenn Ihr es so ausdrückt, treibt Ihr es sehr auf die Spitze.«
»Und doch ist es so, oder?«
»Vielleicht. Zunächst einmal zahlt Blaeu die Belohnung dafür, daß er seine gestohlenen Karten wiedererhält. Was sich daraus ergibt, werden wir sehen. Nehmt die zehn Gulden also als Anzahlung, das
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