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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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auf den Beinen spürte er ein leichtes Pochen, als ob etwas über ihn hinüber krabbelte.
    Finger!
    Er stieß und trat wild um sich, griff nach der zweiten Leitersprosse und hievte sich in die Dunkelheit. Für einen kurzen Moment fühlte er sich schwerelos, sein Magen drehte sich um und ihm wurde schwindlig. Dann fiel er nach unten, stürzte mit rasender Geschwindigkeit ins Nichts, ohne auch nur einen Schrei von sich geben zu können. Als er auf dem Kellerboden aufprallte, schnappte die Falltür über ihm zu. Die Luft war aus seinen Lungen gewichen, aber das war nicht weiter tragisch, denn er war sich nicht sicher, ob er seit seiner Ankunft in der Scheune überhaupt einen Atemzug getan hatte.
    Bis auf ein paar Lichtschimmer, die durch die Ritzen im Boden des Keller fielen, war es hier unten stockdunkel. Als Mason probierte, ob er seine Arme noch bewegen konnte, hörte er etwas zu Boden plumpsen. Er griff nach vorn und ertastete einen Gegenstand. Als er ihn tastend genauer untersuchte, dämmerte es ihm, dass er in einer Kiste mit Süßkartoffeln gelandet war.
    Mason rollte sich auf die Füße und versteckte sich dann hinter der Kiste. Er versuchte sich daran zu erinnern, was Ransom ihm über eine weitere Tür am Ende des Kellers und den Tunnel erzählt hatte, der zurück zum Haus führte. Vielleicht war George schon hier unten? Wie gut können Geister eigentlichen im Dunkeln sehen?
    Er vernahm ein lautes, schweres Hämmern und dachte erst, es wären Schritte, realisierte dann aber, dass es sein eigener Puls war, der in seinen Ohren pochte. Über ihm war es still, es roch nach Erde und süßen Äpfeln. Mason versuchte, den Grundriss des Kellers zu erahnen und herauszufinden, wo der Ausgang war, doch in der Finsternis hatte er jeglichen Orientierungssinn verloren.
    Er befand sich wieder an der Leiter und überlegte, ob er den Keller wieder über die Falltür verlassen sollte. Was würde da oben auf ihn warten? Die rot tropfenden Zinken der Heuraupe? George, der ihm hilfsbereit die Hand reichte? Und schließlich der vollkommen durchlöcherte Ransom, der jetzt einer von
ihnen
war, wer oder was auch immer sie waren?
    Er dachte an Anna, ihre bescheidene Selbstsicherheit, ihre verborgene innere Stärke, die sie als Unnahbarkeit nach außen kehrte. Sie behauptete, sie würde Geister verstehen und hatte sich über Ransoms Aberglaube nicht lustig gemacht. Sie würde beim Anblick eines Geistes nicht ausrasten. Sie würde wissen, was zu tun ist. Wenn sie jetzt nur hier wäre! Andererseits fragte er sich, was ein Lebender eigentlich wirklich über Geister wissen konnte.
    Seine rasenden Gedanken wurden von einem leisen Geräusch durchbrochen, das Mason zunächst für das Quietschen der Heuraupe oben in der Scheune hielt. Aber es klang nicht nach rostigem Metall.
    Es klang wie das Rascheln von Fingern auf einem Stück Stoff.
    Die Hand.
    Er stieß und schlug um sich und noch mehr Süßkartoffeln purzelten auf den kalten, dreckigen Boden.
    Abermals vernahm er die Geräusche, jetzt von allen Seiten, aus allen Richtungen. Das konnten keine Geister sein, dafür waren es zu viele.
    Dann erkannte er das Geräusch, ein Geräusch, das ihm von seinem Leben neben der Mülldeponie von Sawyer Creek vertraut war.
    Es war kein Quietschen, es war ein
Quieken
.
    Ratten.

53. KAPITEL
    »V erschwinde«, sagte Anna zu dem Geist, der aus der Wand hervorgetreten war und nun in seiner ganzen vergänglichen Schönheit vor ihr stand. Rachel schwebte näher heran, hielt den tristen Blumenstrauß als Zeichen der Entschuldigung oder des Bedauerns nach vorn. »Ich wollte dich niemals verletzen, Anna.«
    »Warum hast du mich dann hierher zurückgeholt? Warum hast du mich nicht einfach dumm und glücklich sterben lassen, ohne jemanden hassen zu müssen?«
    »Wir brauchen dich, Anna. Ich brauche dich.«
    »Brauchen, brauchen, brauchen. Hast du jemals darüber nachgedacht, dass ich auch jemanden gebraucht hätte in all den Nächten, in denen ich mich in den Schlaf geweint habe? Und jetzt erwartest du von mir, dass ich Mitleid mit dir habe, nur weil du
tot
bist?«
    »Es geht nicht nur um mich, Anna. Er hält uns alle hier gefangen.«
    Hatten die Toten eine Wahl, wo ihre Seelen in der realen Welt eingeschlossen waren? Wurde für jede Person ein ganz bestimmter Ort ausgewählt? Oder wanderten die Geister einfach nur an ihren Lieblingsplätzen umher, weil sie sich ihre Existenz herbeisehnten? Diese Art von Fragen stellten sich die hartgesottenen Parapsychologen nie.

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