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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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das schwache Leuchten einer Laterne drang. Mason hastete auf den Schuppen zu. Als er endlich dort angekommen war, sah er über dem Tor ein Hufeisen mit der Öffnung nach unten hängen. Er wusste nicht mehr genau, ob dies Glück bedeutete oder vor Geistern schützen sollte. Fast wünschte er sich, er hätte einen Lumpenball bei sich, mit dem er wedeln konnte.
    Beinahe geräuschlos trat Mason ein, denn das auf dem Boden verstreute Heu dämpfte seinen Schritt. Er sah weder Ransom noch Anna. Es roch nach Ledergeschirr und Hirsefutter. Die gegenüberliegende Tür, die hinaus auf die Koppel führte, war abgeriegelt. Mason schluckte und wollte gerade nach Ransom rufen, als dessen Stimme irgendwo zwischen den Kutschen erklang: »Hau ab, George. Du hast keinen Grund, hier zu sein.«
    Der Einspänner und die Kutschen warfen hohe Schatten an die Scheunenmauern. An den mit Holz verkleideten Wänden flackerten die Speichen der Wagenräder und die Zinken der Heuraupe als schwarze Linien auf. Als Ransom erneut sprach, sah Mason, wie er geduckt hinter einer der Kutschen hockte.
    »Ich hab mir ein Zaubersäckchen besorgt, George. Das müsste dich eigentlich verschwinden lassen.« Mit weit aufgerissenen Augen starrte Ransom auf den grauen, unebenen Boden.
    War George nicht der Name des Mannes, der bei diesem Unfall getötet worden war? Hatte Ransoms Glaube an Geister und Zauberei schließlich dazu geführt, dass er nun vollkommen von Sinnen war?
    Aber dann erblickte auch Mason George.
    Und George
sah
wirklich tot aus. Seine ausgehöhlten Augen schauten ins Leere, seine Gestalt wirkte zerbrechlich, sein Armstumpf war nach oben gestreckt. George sah so tot aus, dass Mason durch ihn hindurch schauen konnte. Und George lächelte, als wäre der Tod das Beste, das ihm je widerfahren war.
    »Ich wurde geschickt, um dich zu holen, Ransom. Mein alter Kumpel.« Die Worte schienen aus allen Ecken der Scheune zu dringen, brachten einen Haufen getrocknete Blätter zum Rascheln, die es im letzten Winter hereingeweht hatte. Mason lief es heißkalt über den Rücken, seine Kopfhaut prickelte, er hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden.
    Denn das hier spielte sich nicht in seinen Träumen ab.
    Dafür
konnte er seine Fantasie nicht verantwortlich machen.
    »Mach, dass du fortkommst, verdammt noch mal«, rief Ransom mit zittriger Stimme. Er richtete seinen Blick weiter starr auf dieses Ding namens George und bemerkte Mason nicht. George trat einen Schritt nach vorn.
    Obwohl es ja eigentlich gar kein SCHRITT war, oder, Mason? Denn George bewegte nicht einen Muskel, sondern schwebte vielmehr wie eine Vogelscheuche, die sich auf ihrem Stab im Wind hin und her wiegte.
    Die kalte Luft, die George verströmte, machte in der Beengtheit der Scheune die Atmosphäre noch frostiger. Mason war noch nicht bereit, dieses Ding da einen Geist zu nennen. Denn als er Anna erzählte hatte, er würde erst dann an Geister glauben, wenn er einen zu Gesicht bekäme, hatte er gelogen. Er glaubte immer
noch nicht
daran!
    Und er konnte nicht glauben, was da von diesem George herabhing. Eine abgetrennte Hand mit milchigweißen Fingern, die sich abwechselnd beugten und streckten, als ob sie jemanden an der Kehle packen wollten.
    »Komm schon, Ransom«, sagte die Stimme vom Totenacker. »Es tut nur eine Sekunde lang weh. Und so schlimm ist es da drin auch nicht, wenn du dich erst einmal an die Schlangen gewöhnt hast.«
    »Warum, George? Ich habe dir doch nie etwas getan.« Ransoms Augen waren vor Angst und Schrecken weit aufgerissen. »Du warst doch ein guter, gottesfürchtiger Mann. Was ist nur mit dir geschehen?«
    Das Blechdach der Scheune wurde von einem gellenden Lachen erschüttert. Masons Herz schlug einen Purzelbaum.
    »Ich bin in den Tunnel geraten, alter Freund. Denn ich wollte es einfach
wissen
. Und nun werde ich dich mitnehmen. Korban mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.«
    Ein rostiges Quietschen war zu hören und die Heuraupe rollte nach vorn. Verängstigt blickte Ransom von links nach rechts und wieder von rechts nach links, verzweifelt suchten seine Augen nach einem Fluchtweg. Dann sah er Mason.
    »Der Zauber wirkt nicht, Mason.
Wie kommt es, dass der Zauber nicht funktioniert?
«
    George wandte sich in Masons Richtung, wieder ohne seine verkümmerten, knöchernen Glieder zu bewegen. »Wir haben ausreichend Platz da drinnen, mein Freund. Der Tunnel hat kein Ende.«
    Ransom duckte sich zwischen die Kutsche und den Einspänner. Mason drehte sich um und rannte

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