Die Tunnel der Seele
hinunter und die Worte waren verschwunden.
»Weiche Frost«, murmelte Anna.
Schnell trocknete sie sich ab und lief zurück ins Zimmer, um das Feuer zu schüren.
26. KAPITEL
»S ie wird wunderschön werden.«
Mit liebevollem Blick betrachtete Miss Mamie die Büste, die Mason geschnitzt hatte. Der Bildhauer war talentiert. Ephram hatte sich richtig entschieden. Aber schließlich hatte sich Ephram schon immer richtig entschieden, in der Liebe, im Leben und so auch jetzt, im Tod.
»Mr. Jackson hat bis spät in die Nacht gearbeitet«, erklärte Lilith und hielt die Laterne ein Stück höher, sodass Licht auf die Kanten der in das Holz gemeißelten Gesichtszüge von Korban fiel. »Er wird eine ganze Weile nicht herunter kommen.«
Miss Mamie sehnte sich danach, Korbans Gesicht zu liebkosen, doch sie wollte kein Risiko eingehen und ihm womöglich etwas von seiner Energie rauben. Die Skulptur war nicht für sie. Sie war für Ephram. Sie würde ihn früh genug wieder berühren können. Nur noch zwei Nächte, dann würde der blaue Mond über ihnen aufgehen.
Lilith ging in die Ecke des Ateliers und hob ein Ölgemälde hoch. »Das war mein Lieblingsstück«, sagte sie.
»Stell das wieder hin. Die Malerei ist für dich Geschichte. Und für ihn auch. Sei dir deines Standes bewusst!”
Lilith legte das Gemälde wieder in die Schatten zurück. Sie war nur eine von vielen Dienstangestellten, eines von vielen Werkzeugen, die Ephrams Brücke zurück in diese Welt errichteten. Doch ihr Geist hing noch immer in der Luft, ein Echo der Träume, die sie geschaffen hatte. Träume, die Ephram genährt und seine schlafende Seele mit Energie versorgt hatten. Sie war wie die anderen, zu hungrig nach ihrer eigenen Rückkehr, zu besessen von ihrer eigenen Flucht aus dem Tunnel.
Sie wusste nicht, dass sie ihm niemals entkommen würde.
»Du kannst jetzt gehen«, sagte Miss Mamie. »Schau nach, ob du beim Mittagessen helfen kannst. Ich komme gleich nach.«
Lilith warf noch einen letzten sehnsuchtsvollen Blick auf das Gemälde.
Als ob sie jemals ein solch begnadeter Künstler wie Ephram sein könnte.
Ja, Lilith hatte es versucht, sie hatte Opfer gebracht, doch sie hatte gerade einmal damit begonnen, die Grundlagen zu lernen, als sie im Teich hinter der Scheune ertrank. Der Tunnel ihrer Seele führte immer wieder hierher zurück, in diesen dunklen Keller, in dem sie es einst gewagt hatte, etwas zu erschaffen.
Lilith ging die Treppe hinauf und schloss die Kellertür.
Jetzt waren sie allein.
»Oh, Ephram«, sprach Miss Mamie zu der Büste. »Sie ist besser, als ich es mir je erträumt habe.«
Das Stück Eiche bog und streckte sich, die Augen zuckten zwischen ihren hölzernen Lidern. Dann teilten sich die Lippen. »Ja. Sie fühlt sich ziemlich gut an.«
Sie ging in die Hocke, damit sie ihm direkt in die Augen sehen konnte. Sanft streichelte sie über eine der groben Wangen, fuhr mit dem Handrücken über den gemeißelten Bart.
»Es funktioniert«, flüsterte sie. »Genau wie du gesagt hast.«
Die Büste hob die steifen Augenbrauen. »Es wird eine Weile dauern, bevor ich mich daran gewöhnt habe. Bald, Margaret, meine Liebste, bald werde ich Arme haben, um dich wieder halten zu können. Hände zum Malen, Augen, um die Welt aufs Neue sehen zu können, Beine, mit denen ich an deiner Seite gehen kann. Doch der Bildhauer muss härter arbeiten. Ich muss rechtzeitig fertig werden.«
»Ich werde dafür sorgen, dass er heute Abend weiter macht.« Insgeheim fragte sie sich, wie sich diese Arme wohl anfühlen würden, wenn Mason Jackson erst die lebensgroße Statue fertiggestellt hätte. Sie könnten grob und unbeholfen sein. Doch selbst hölzernes Fleisch war besser als im feuchten Mauerwerk, in den düsteren Räumen und im kalten Glas der Spiegel des Herrenhauses eingeschlossen zu sein. Irgendwann würde Ephram mit Hilfe seiner magischen Kräfte das Holz erweichen, zähmen, zärtlich machen können.
Je näher der blaue Mond rückte, desto mehr gewann er an Kraft. Sie konnte es fühlen, als wäre er ein Bett von glühenden Kohlen, das kurz davor war, in heiße Flammen auszubrechen. Er war dabei, seine Handlanger zusammenzurufen, all diejenigen, die unter seinem Zauberspruch gestorben waren, die die dunklen, schlüpfrigen Dinge im Tunnel ihrer Seelen fürchteten. Er ernährte sich von ihren Träumen und fütterte sie mit Angst. Und sie hatte dabei geholfen, indem sie ihre Puppen geschnitzt hatte, die in der alten Hütte oben in Beechy Gap
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