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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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mich inzwischen um das leibliche Wohl kümmern kann.« Sie ging die steile Treppe voran, drehte sich aber dann auf halber Höhe um und sagte über die Schulter hinweg: »Übrigens, es ist das Zimmer, das Knut sich immer aussucht wenn er bei uns ist.«
    Lena nickte und betrat das ihr zugewiesene Zimmer. Sie blieb an der Tür stehen und ließ ihren Blick in die Runde schweifen. Zweifellos ein behagliches Zimmer, zwar ungewöhnlich schlicht aber dennoch irgendwie geschmackvoll. Was sie sofort magisch anzog, das waren die beiden Bilder mit schmalen, sehr einfachen Rahmen an der Stirnseite des Zimmers. Was für ein bemerkenswerter Blickfang! Sie stand dicht davor und betrachtete aufmerksam die eigenartige, gewollt flüchtige Strichführung, die trotz gleichen Motiven, dennoch eine gravierende Unterschiedlichkeit aufwiesen. Sie war beeindruckt und konnte kaum den Blick davon wenden. Erst eine kräftige Windböe, die mit Wucht den angelehnten Fensterflügel aufstieß, riss sie aus ihrer Versunkenheit heraus.
    Beim Schließen des Fensters wurde ihr plötzlich bewusst, warum Knut ausgerechnet dieses Zimmer liebte; es war der einmalige freie Seeblick, samt einer unberührt erscheinenden, kleinen, von Wind und Wasser ausgespülten, halbrunden Bucht. Und wie sie sich lebhaft vorstellen konnte, wohl ein besonders angenehmer Platz die Seele nach Herzenslust baumeln zu lassen.
    Sie spürte, wie ganz allmählich die Freude von ihr Besitz ergriff und sie sanft und friedfertig stimmte. Dies gute Gefühl begann mehr und mehr die ungereimten Bedenken und ihre lästigen Begleiterscheinungen der letzten Tage aus ihren Gedanken zu verdrängen. Was übrig blieb, war nur noch wunderschöne, unbeschwerte Urlaubsfreude.
    Nun wurde es aber allmählich Zeit, dass sie sich nach unten zu Dagmar begab.
    »Ah, da sind Sie ja«, empfing Dagmar sie an der Wohnungstür. »Kommen Sie, setzten Sie sich«, wies sie auf eine gemütliche Sitzecke mit Blick auf den Strand.
    »Ein schönes Fleckchen Erde, was Sie sich da ausgesucht haben«, bekannte Lena.
    »Ja, nicht! Aber es hat auch sehr viel Arbeit und wohl noch mehr Geld gekostet, um aus dem ehemals verwahrlosten, unscheinbaren Grundstück ein einigermaßen kultiviertes Zuhause zu gestalten. Es hat etliche Jahre gedauert – doch es hat sich gelohnt.« Plötzlich lehnte sie sich etwas vor und zeigte auf den Trampelpfad zum Strand hinab. »Da kommt Ernst, mein Mann zurück.« Sie stand sofort auf und legte ein weiteres Gedeck auf.
    Der Mann, grauhaarig, von harter Arbeit leicht gebeugt, mit sonnengebräunter Lederhaut, begrüßte sie mit freundlichen Lächeln. Sie spürte sofort Sympathie. Seine Haltung, seine Stimme und seine Bewegungen, strahlten eine innere, in sich gefestigte Ruhe aus. So, als könne ihn nichts, aber auch gar nichts etwas anhaben.
    Er spürte wahrscheinlich ihren prüfenden Blick, denn er lächelte sie an und nickte ihr kaum merklich zu. Oder vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Jedenfalls sagte er mit sonorer Stimme: »Es ist schön, dass wir Sie kennenlernen dürfen.« Und mit einem verschmitzten Schmunzeln fügte er hinzu: »Zumal wir bei Knut, längst alle Hoffnung auf eine ernsthafte Bindung aufgegeben hatten.«
    Lena senkte verlegen den Blick, denn die Direktheit seiner Worte verunsicherten sie.
    Dagmar, die wahrscheinlich Lenas Verunsicherung spürte, wechselte das Thema, indem sie sich erkundigte: »Geht es denn nun bei Ihnen in den neuen Bundesländern wirtschaftlich einigermaßen voran? Oder ist noch nicht viel zu spüren?«
    »Teils, teils – es ist schwer zu sagen …« Sie zögerte und dachte einen Augenblick nach. »Ich weiß nicht recht wie ich es erklären soll, aber die anfangs überwiegend positive Entwicklung, beginnt allmählich zu stocken. Wenn auch noch für viele unbemerkt, kann dennoch nichts darüber hinwegtäuschen, dass der Aufschwung spätestens in ein bis zwei Jahren, für alle sichtbar stagnieren wird. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, das soll keine übertriebene Panikmache ausdrücken, lediglich eine allgemeine, nüchterne Wahrnehmung wiedergeben. Denn wer etwas genauer hinsieht, muss jetzt, nach vier Jahren Einheit, eine eher ungute Entwicklung wahrnehmen; nämlich die der zunehmenden Firmenpleiten und steigende Arbeitslosigkeit – wobei ein Ende bei weitem noch nicht abzusehen ist. Ich schätze, und nicht nur ich, dass uns die wirklich schwere Zeit erst noch bevorsteht.«
    »Das hört sich ja wirklich nicht besonders an«, entgegnete

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