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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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ganz besonderen Art von Täuschung. Eine perfekte Tarnung halt – man könnte es auch Beherrschung nennen.« Sie lachte lautlos vor sich hin. »Gerade ich, habe mich frühzeitig beherrschen lernen müssen; sozusagen als Gegenpol zum schnellen Jähzorn eures Vaters.«
    »O ja«, schmunzelte Knut, »den habe ich zur Genüge kennengelernt.« Und wieder ernst werdend, fragte er: »Warum bist du damals eigentlich nicht zu Dagmar gezogen? Sie hätte viel besser für dich sorgen können.«
    »Ach, das versteht ihr nicht, oder besser, noch nicht.« Ihre Augen bekamen einen weichen Glanz, und während sie sich auf dem mit dunkelgrünem Rips bezogenen Stuhl niederließ, zeigte sie mit einer vagen Handbewegung in die Runde. »Das hier ist mein Leben, mein Zuhause, und nicht da, wovon ihr meint, es müsste mir so viel besser gehen. Sicherlich, unter Dagmars Obhut zu leben«, sie lächelte sanft, »ein direkt verführerischer Gedanke – aber eben nur ein Gedanke. Die Wirklichkeit sieht wie immer ganz anders aus. Nicht, dass mir das Leben auf der Insel missfallen hätte, ach nein, das ist es nicht – nur die daran verknüpfte Endgültigkeit, die erschreckte mich irgendwie. Nun aber ist es sowieso zu spät – meine Zeit ist gezählt. Vielleicht«, sie stockte kurz, »hätte ich mir tatsächlich nach dem Tod eures Vaters ein größeres Mitspracherecht sichern sollen – aber wozu eigentlich? Was ich zum Leben brauche, habe ich bekommen, was also hätte ich anderes haben wollen? Gut, das Zusammenleben mit Max und Edda war am Anfang schon recht beschwerlich, aber wer hätte mir garantieren können, dass es bei Dagmar so viel einfacher gewesen wäre. Schließlich war und ist der Kontakt zu Ernst noch immer mehr als dürftig. Eben ein Mensch zu dem ich keinerlei Beziehung habe; sozusagen ein Buch mit sieben Siegeln. Deshalb habe ich Dagmar auch niemals begreifen können, was sie an diesem Menschen gefunden hat – mich jedenfalls irritiert er.«
    Knut nickte. »Genau so erging es mir auch; aber jetzt nicht mehr.«
    Seine Mutter sah ihn mit wachen Blick an und fragte: »Und weshalb jetzt auf einmal nicht mehr?«
    Sein Kopf ans weiche Polster zurückgelehnt, die Lider halb geschlossen, erwiderte er nachdenklich: »So genau kann ich dir das auch nicht sagen; er kam mir plötzlich ganz anders vor. Oder richtiger gesagt; mir war, als begegnete ich ihm zum ersten Mal – schon seltsam nach so vielen Jahren, nicht wahr?«
    Ohne zu antworten, musterte sie ihn mit ernsten Blick. Ihre trockenen Lippen öffneten sich, aber kein Wort war zu hören; erst nachdem sie sie befeuchtet hatte, hörte er sie sagen: »Könnte es nicht auch so sein, dass in Wirklichkeit du der andere bist?« Sie lachte plötzlich. »Mir jedenfalls würde das eher einleuchten.«
    »Mein Gott, nicht schon wieder!«, hob er in scheinbar entsetzter Abwehr beide Arme. »Dagmar hat es bereits ähnlich formuliert. Dabei weiß ich gar nicht was das soll, ich bin doch der, der ich immer gewesen bin. Oder hat Dagmar dich beim letzten Anruf darüber informiert?«
    »Angerufen hat sie zwar, aber nur um mir deinen Besuch anzukünden.«
    »Ist auch egal …« Er stand auf, reckte sich kurz, legte zwei große Holzscheite auf die schwindende Glut, dann erst trat er vor seine Mutter hin und sagte schlicht: »Ich habe schrecklichen Durst, wo kann ich etwas finden?«
    »Oje, entschuldige, mein Jung, ich rede und rede …!«
    Knut half ihr hoch, und Arm in Arm begaben sie sich über den Flur zur Küche.
    »Donnerwetter, eine neue Küche!«
    »Na ja, die Alte war wesentlich gemütlicher – alles so steril, blank und unpersönlich. Nimm dir was du brauchst. Edda war gestern erst groß einkaufen.« Sie zeigte zum Fenster hinaus. »Da kommen sie!«
    Mit dem ›sie‹ war sein Bruder Max und Edda seine Frau gemeint.
    Knut ging rasch zur Tür. »Da seid ihr ja!«, rief er den beiden Ankömmlingen gut gelaunt entgegen.
    Und freudig mit den Händen winkend eilten sie auf ihn zu.
    Max, der fast einen Kopf größer als er war, schüttelte ihm mit derben Druck die Hand. »Ich dachte schon dich gibt es gar nicht mehr!« Er betrachtete ihn sehr genau von oben bis unten und sagte dann mit schalkhaften Augenzwinkern: »Schlanker bist du geworden, und die Haare haben auch etwas gelitten – halt das Alter.«
    Nun hatte auch Edda ihn erreicht. Sie keuchte etwas vom schnellen Lauf. Ihre runden Wangen glühten. »Knut, was sagst du nur zu diesem schrecklichen Mann da«, zeigte sie auf Max, seinen Bruder,

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