Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
Vom Netzwerk:
jetzt erinnere ich mich, da Vater sie wegen dem lästigen Ruß nicht leiden mochte.«
    »Dass du dich daran erinnerst?«, wunderte sich seine Mutter. »Nicht nach oben«, hielt sie ihn am Arm fest. »Ich wohne doch jetzt im großen Zimmer, weil meine Beine die steile Treppe nicht mehr verkraften. Ja ja, mein Jung, da kannst du mal sehen, wie lang du schon nicht mehr da gewesen bist.«
    »So lang nun auch wieder nicht; zu deinem Achtzigsten halt – also vor zwei Jahren.«
    »Ich weiß, ich weiß, nur vergesst ihr immer, dass ein Jahr in meinem Alter nicht mehr das Gleiche bedeutet …«
    Knut wechselte das Thema. »Mich wundert nur, dass Edda dieser gravierenden Veränderung zugestimmt hat.«
    »Veränderung …? Ach so, das Zimmer …« Sie winkte abweisend mit der Hand ab. »Sie haben wieder einmal Geld gebraucht …«
    Der Ton, mit dem sie das sagte, so bitter, fast verächtlich, ließ Knut aufhorchen, aber er sagte nichts. Außerdem widerstrebte es ihm, sich in diesen heiklen Familienangelegenheiten einzumischen. Nicht umsonst hatte er sich in all den Jahren von dererlei Familienklüngel distanziert – er wusste genau warum, und so sollte es auch bleiben. Zumal bei Edda, seiner ihm nicht besonders wohlgesonnenen Schwägerin, war äußerste Vorsicht geboten. Denn er hatte nicht vergessen, mit welch einer widerlichen Hinterhältigkeit sie damals seine Bitte, einige Zeit bei ihnen wohnen zu dürfen, rundweg mit der Begründung: »das sei doch kein Asylheim«, abgelehnt hatte. Selbst seine Mutter war dagegen machtlos gewesen.
    »Wie geht es denn Dagmar und Ernst? Sie ist die Einzige, die mich regelmäßig besucht und zwischendurch auch noch anruft.«
    Der versteckte Vorwurf war nicht zu überhören. Nun aber sagte er: »Es geht ihnen gut, und sie lassen herzlich grüßen.«
    »Danke, das freut mich.« Sie wies mit dem Stock, der inzwischen unentbehrlich für sie geworden war, auf den Sessel neben dem schönen alten Kamin, in dem das wahrscheinlich eben erst entfachte Feuer leise vor sich hin knisterte. »Setz dich doch endlich!«
    »Wie schön, wie anheimelnd!« Gebannt sah er in die goldgelbe züngelnde Flamme. »Dass ihr den Kamin trotz Zentralheizung noch nutzt, freut mich ungemein.«
    Seine Mutter seufzte, stützte sich mit beiden Händen auf den Stock auf und blickte wie er, in die jetzt hell auflodernde Flamme. »Es war schließlich der Lieblingsplatz eures Vaters, hier hat er in den stillen Wintermonaten behaglich seine Pfeife geraucht – dabei durfte ihn niemand stören.«
    »Ja, das stimmt, daran kann ich mich noch gut erinnern«, nickte er eifrig, und aus dem Gedenken heraus, murmelte er leise: »Er hat viel zu früh sterben müssen – wir waren ja noch Kinder.«
    »Besonders Max, der war viel zu jung, um den Hof allein bewirtschaften zu können. Deshalb, mein Jung«, sie hob die Stimme etwas, »auch wenn ihr Edda nicht sonderlich leiden mögt, was sicherlich nicht unbegründet ist, hat sie dennoch ein gerütteltes Maß an Achtung verdient. Denn ohne ihrer Umsicht, sowie ihrem kaufmännischen Geschick, wäre es für Max mitunter ziemlich eng geworden.«
    Ein sarkastisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Ja, das stimmt, sie schreckte vor nichts zurück.«
    »Unsinn, ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht«, protestierte sie. »Sie hat mit Sicherheit auch ihre guten Seiten.«
    »So so, hat sie die«, spottete Knut. »Und wieso …? Ach was«, winkte er hastig ab. »Von mir aus, was geht’s mich an.«
    Die dunklen Augen seiner Mutter wurden schmal, und ihre Stimme klang spröde. »Eben, und weil heutzutage jeder so denkt, gibt es überhaupt kein Miteinander mehr. Jeder ist nur noch mit sich beschäftigt, was interessiert ihm auch schon, wie es dem anderen geht, wie er im Leben zurechtkommt - die Hauptsache mein Leben stimmt. Nein, Knut, da kannst du lachen wie du willst; aber das ist armselig, feige und dumm.«
    »Aber Mutter, so kenn ich dich doch gar nicht, wo ist nur deine Gelassenheit geblieben?«, begegnete er ihr im neckischen Ton. Er streichelte ihre abgezehrten, von Altersflecken übersäten Hände, die fest den braun lackierten Stock umfassten. Und er sah das erregte Zucken um ihre Mundwinkel; was ihm wehtat, da es all zu offen, ihre Hilflosigkeit, ihre, wenn auch altersbedingte, Schwäche preisgab, die ihn selbst hilflos machte.
    Es verging einige Zeit, nur das knisternde Feuer war zu hören, bevor sie verhalten antwortete: »Weißt du, die Gelassenheit, entspricht meist nur einer

Weitere Kostenlose Bücher