Die Ueberbuchte
doch für Schelte einstecken müssen, wenn Vater mich an arbeitsreichen Wochentagen mit Edda beim Ausreiten erwischte. Das konnte er auf den Tod nicht ausstehen. Dabei hatten wir eh kaum Gelegenheit dazu.«
»Siehst du, und deine Kinder?«
»Das brauchst du gar nicht so vorwurfsvoll zu betonen«, knurrte Max. »Deshalb habe ich ja auch das Pferd gekauft, um Uwes größten Wunsch zu erfüllen. Natürlich hätte er dieses Vergnügen auch bei seinen Großeltern, dem Gestüt haben können; aber längst nicht so uneingeschränkt. Doch zu deiner Frage von vorhin; ich hoffe schon, dass Uwe den Hof einmal weiterführen wird, aber wissen tu ich es natürlich nicht. Zumal er jetzt eine junge Frau kennengelernt hat, die bei der Bank arbeitet, ein kleines Kind hat und von der Idee auf dem Land zu leben, nicht sonderlich erbaut sein dürfte.«
»Nun ja, darüber mag ja auch das letzte Wort noch nicht gesprochen sein«, meinte Knut zuversichtlich.
»Ach, ich weiß nicht recht.« Er rümpfte die Nase. »Eine geschiedene Frau mit einem fremden Kind – außerdem will sie auf keinen Fall mehr heiraten. Wenn überhaupt, dann nur zusammenleben.« Dabei sah er Knut herausfordernd an. »Kannst du mir mal verraten was das werden soll?«
Knut hob ratlos die Schultern. »Was weiß ich. Aber warum sollte das eigentlich nicht funktionieren? Etwa nur wegen diesem fehlenden Trauschein?«
»Also bitte, eine gewisse Ordnung sollte schon sein! Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder nur noch nach eigenem Belieben zu leben und zu handeln gedenkt! Sozusagen ohne jede Verantwortung, immer auf den Sprung zu sein, um alles hinter sich zu lassen, wenn es einmal nicht nach Wunsch verläuft. So etwas kann unmöglich auf Dauer gut gehen.«
»Warum eigentlich nicht? Du lässt dich viel zu sehr von dem althergebrachten Schema einer langjährigen Ehe leiten, die gnadenlos auf Gedeih und Verderb zusammengeschweißt wurde, und nur, weil sie sich einmal im guten Glauben der gegenseitigen Liebe und Achtung das Jawort gegeben haben …«
»Natürlich, das hätte ich mir ja denken können, dass du diesen neumodischen Kram unterstützt. Am Ende findest du es sogar gut, dass die Ehe ganz abgeschafft wird, und nur, damit ja jeder uneingeschränkt tun und lassen kann was er will. Dabei könnte es gerade in heutiger Zeit gar nicht schaden, dass das Miteinander, besonders aber die Verantwortung für die Familie wieder mehr Beachtung finden würde. Kannst du dir etwa vorstellen, dass die Kinder den Namen der Mutter tragen und der Vater für sie nichts weiter als ein guter Kamerad, ein Freund oder gar nur der Erzeuger darstellt? Wie also soll unter diesen Umständen eine einheitliche, aufeinander abgestimmte Erziehung zustande kommen, kannst du mir das mal erklären?«
»Nun, demnach hältst du also immer noch den Trauschein für das absolute Allheilmittel, mit dem garantiert nichts schiefgehen kann.« Knut schmunzelte amüsiert. »Wenn das so wäre, dann frage ich mich, warum so viele Ehen in die Brüche gehen und Kinder von Zuhause weglaufen. Oder wie bei euch zum Beispiel, trotz Trauschein die familiäre Erziehung so gar nicht fruchten will?«
»Ich sehe schon«, winkte Max gereizt ab, »mit dir über diese Dinge zu reden, ist total sinnlos.« Und mit ordentlich hämischen Grinsen fügte er hinzu: »Dein verkorkstes Leben ist schließlich der beste Beweis.«
»Du erwartest doch hoffentlich darauf keine Antwort, oder gar eine Verteidigung?«, bemerkte Knut ungerührt.
Wie gut, dachten jetzt wahrscheinlich beide; dass nur noch wenige Meter sie vom Gehöft trennten.
So liefen sie wie Fremde schweigend nebeneinander her.
Während sich die beiden schweigenden Brüder, ihrer Mutter auf der Bank unter der großen Eiche näherten, hatten ihre alten Augen sie längst erspäht und sogleich die Unstimmigkeit bemerkt. Besonders bei Max war der finstere Ausdruck nicht zu übersehen. Doch sie kannte die beiden viel zu gut, als dass sie darüber überrascht sein müsste. Eher das Gegenteil wäre der Fall gewesen, falls sie plötzliche Eintracht gemimt hätten – nein, dazu waren beide viel zu verschieden. Max, der Landwirt mit Leib und Seele, sesshaft ohne Ende, und Knut, der Abenteurer, immer auf Achse, wohl auch ohne Ende. Nur eines hatten sie von jeher gemeinsam, ihre Liebe zum Land, ins besondere zur See mit ihren Gezeiten und weiten Stränden. Auch bei Dagmar zeichnete sich schon sehr früh diese besondere Erdverbundenheit ab, die bis heute eine große Rolle in ihrem
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