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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
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adoptiert.«
    Â»Und wie kommt es dann, dass er mit dir nach England gegangen ist?«
    Â»Das war so … Ich erinnere mich nicht mehr an sämtliche Einzelheiten, aber ich war zu einer Vorsorgeuntersuchung gewesen und habe mich danach sehr über die Reaktion meiner Schwiegereltern geärgert. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, weil sie ja nun beide tot sind und man manche Dinge lieber einfach ruhen lassen sollte. Aber mir hatte es Angst gemacht. Durga schlug vor, dass ich allen erzählen sollte, ich führe nach Delhi, um Verwandte zu besuchen … mit Rahul. Zum Glück hatte er einen Kinderpass, und so bin ich einfach mit ihm nach England gereist. Wir hatten eine Auslandsreise mit der Familie geplant, also war der meiste Papierkram schon erledigt – Freunde von mir in Delhi haben auch noch geholfen. Allerdings möchte ich nicht, dass jemand darüber redet, dass Rahul hier bei mir ist. Ich habe ihn aus der ganzen Sache vollkommen herausgehalten, weil ich hoffe, ihn irgendwann ganz legal adoptieren zu können.«
    Â»Das finde ich ein bisschen merkwürdig. Den Zeitpunkt deiner Abreise, meine ich. Hattest du irgendeinen Verdacht, dass der Familie Gefahr droht, hast du von irgendjemandem einen Hinweis darauf bekommen?«
    Â»Nein, nein, nein, das musst du mir einfach glauben! Ich war total schockiert, als ich von den Morden hörte. Pass auf, ich muss jetzt auflegen. Aber nach dem, was ich von Durga gehört habe, kann ich dir nur einen Rat geben: Sprich mit Harpreet oder besser noch mit seiner Frau. Sie wissen mehr, als sie vorgeben. Vor ein paar Tagen habe ich dir einen Brief geschrieben. Pass auf, dass du ihn auch erhältst. Bis dann.«
    Das entschlossene Geräusch, mit dem der Hörer aufgelegt wurde, rief mich in die Gegenwart zurück. Aber was war mit dieser Untersuchung gewesen, dass Binny sich hinterher so sehr darüber aufgeregt hatte? War die Familie wütend darüber gewesen, dass sie ein Mädchen erwartete? Aber Durgas Eltern hatten doch selbst zwei Töchter. Für mich gab es einen plausibleren Grund dafür, dass Binny Hals über Kopf aus Indien hatte abreisen wollen: die beiden minderjährigen Mädchen aus Bihar und die sexuellen Übergriffe auf sie. War auch sie, ebenso wie Durga, dem ausgesetzt gewesen? Und was hatte es mit dem Drogenkonsum in dem Haus auf sich?
    Ich wusste natürlich, dass der Missbrauch von Marihuana und Opium im Punjab immer noch ein großes Problem darstellte. Früher konnte man immer sagen, die ständige Bedrohung durch den Terrorismus wäre daran schuld. Das war in der Zeit, als Arbeitslosigkeit und die Verlockung leicht verdienten Geldes und des freien Zugangs zu Rauschgift viele junge Leute dazu verführte, sich dem Mythos von Khalistan zu verschreiben und sich der separatistischen Bewegung anzuschließen, die den Bundesstaat Punjab von Indien lösen und einen unabhängigen Staat Khalistan auf pakistanischem Gebiet errichten wollte.
    Jeder wusste von den riesigen Mohnfeldern in Afghanistan, die endlose Mengen von Heroin ausstießen. In jenen Tagen fand das Rauschgift auf verschlungenen Wegen über Pakistan in den Punjab und wurde hier weiterverteilt, um schließlich bei jenen zu landen, die sich damit Erquickung verschafften oder alle Empfindungen betäubten.
    Aber der Terrorismus war doch in jüngster Zeit zurückgedrängt worden, oder etwa nicht? Was die Drogen anging, so waren die einmal erschlossenen Quellen nie wirklich versiegt. Und inzwischen verfügte der Punjab sogar über seine eigenen Mohnfelder ebenso wie über einen eigenen Marihuanaanbau. War ich also auf einen weiteren wunden Punkt der Region gestoßen, einen weiteren verderblichen Umstand, der das Leben in dem Haus in Company Bagh zu einem Zerrbild dessen gemacht hatte, wie es in einer Familie zugehen sollte?
    Eines jedenfalls stand fest: Sharda war eine Schlüsselfigur dieser ganzen Geschichte. Ob ich das Foto, das ich im Haus gefunden hatte, Harpreet Singh zeigen sollte? Möglicherweise konnte er mir sagen, um wen es sich bei dem Mädchen handelte.
    â—† ◆ ◆
    Liebe Simran,
    ich weiß noch nicht, ob ich mit dir werde sprechen können, aber ich schicke diesen Brief an Harpreet, damit er sich mit dir in Verbindung setzt. Könnte sein, dass du auf seine Hilfe angewiesen bist, wenn du verstehen möchtest, was los ist. Obwohl ich ihm nie begegnet bin, weiß ich doch, dass er sowohl

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