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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
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Sharda als auch meinem kleinen Engel sehr geholfen hat. Ich schreibe dir auch, weil ich dich ermahnen möchte, sehr, sehr vorsichtig zu sein. E-Mails lassen sich leicht zurückverfolgen, vor allem, wenn sie von einem Gästehaus der Polizei aus verschickt werden. Denk immer daran, dass Sharda wie vom Erdboden verschluckt ist und dass solche Dinge dauernd vorkommen. Davor hatte Durga sogar mich schon gewarnt, also nimm es nicht auf die leichte Schulter. Wie du schon recht bald herausfinden wirst, ist nichts so, wie es scheint.
    Ich kann dir sagen: Als ich nach Jullundur kam, war das ein totaler Schock für mich. Ich wusste, dass meine zukünftigen Schwiegereltern sehr reich und sehr traditionsverhaftet waren. Man hatte mir gesagt, dass ich meinen englischen Lebensstil aufgeben und mich ihren traditionellen Gewohnheiten anpassen müsste. Das habe ich dann auch getan. Ich fing an, Saris zu tragen und lange, weite Hosenanzüge und meinen Kopf bedeckt zu halten. Meinen Bräutigam habe ich am Hochzeitstag zum ersten Mal zu Gesicht bekommen. Ich habe alles gemacht, um meiner neuen Familie zu gefallen, denn ich wusste, dass meiner Mutter an dieser Heirat viel gelegen war. Die Atwals gehörten zu unserer Kaste, unserer Biradiri . Das Haus jedoch steckte voller Geheimnisse. Am merkwürdigsten daran waren Rahul und Durga – Durga, weil nie jemand mit ihr sprach. Ihr Vater war immer unglaublich grausam zu ihr. Sie ließen sie spüren, dass sie sie für eine vollkommene Idiotin hielten.
    Aber auch, wenn sie aus der Schule gute Noten mit nach Hause brachte, warf ihre Mutter nur einen flüchtigen Blick auf die Zeugnisse und legte sie dann beiseite. Niemals ein anerkennendes Wort. Ich glaube, sie waren sehr wütend auf sie. Weil sie sich nämlich auf Shardas Seite geschlagen und ihnen nichts von ihrem Verhältnis erzählt hatte.
    Und Rahul? Um den wurde ein großes Aufheben gemacht, obwohl er – das wirst du mir kaum glauben – als Mädchen erzogen wurde. Als ich in das Haus kam, habe ich ihn zuerst für ein Mädchen gehalten, denn er trug ein Kleid und hatte langes Haar. Weil er noch zu klein war, um zur Schule zu gehen, konnten sie ihn so ausstaffieren. Offenbar wollten sie ihn davor schützen, vom Bösen Blick getroffen zu werden. Also ließen sie ihn Kleider und Bänder im Haar tragen. Irgendwer hatte die Familie verhext. In England hatte ich schon von so etwas gehört, es aber nie erlebt. In Company Bagh hingegen entdeckten die Diener jeden Tag irgendwas Verdächtiges, besonders Amla. Einmal kam sie mit einem Knäuel Haare zu meiner Schwiegermutter. Das Haar war von Ammiji, und sie verschwand für drei Tage in ihrem Gebetszimmer. Das Schlimmste war jedoch eine Puppe mit abgerissenen Gliedern, mit der die Hunde angeschleppt kamen. Jeder, der die Puppe sah, wurde ganz hysterisch. Das war schon alles sehr sonderbar.
    Rahul wurde niemals Rahul gerufen, immer nur Guddi. Guddi! Erst, als ich ihn eines Tages in der Wanne badete, entdeckte ich die Wahrheit.
    Als ich danach mit Durga über ihn sprach, erfuhr ich, dass er Shardas Sohn war. Ich versuche gerade, ihn ganz offiziell zu adoptieren. Der arme Wurm! Ich weiß nicht, wo seine Mutter steckt und warum man sie von allem ferngehalten hat. Ich habe immer gedacht, sie wäre noch irgendwo in dem Haus. Ein paarmal hatte ich das Gefühl, dass jemand mitten in der Nacht gerufen hätte. Manchmal glaubte ich auch, die Schreie einer Frau zu hören, aber das Haus war so groß, und dauernd bellten die Hunde, und mit dem Lärm von der Straße war es schwierig zu sagen, woher ein Geräusch kam. Oder ob man sich dieses Geräusch vielleicht nur eingebildet hatte.
    Es gab einfach zu viele Dinge in dem Haus in Company Bagh, die mir nicht gefielen. Obwohl ich eine Witwe bin und ein kleines Kind ganz allein großziehen muss, bereue ich ganz bestimmt nicht, dass ich von dort weg bin. Ich bin mir sicher, dass ich mit den anderen umgekommen wäre, wenn ich geblieben wäre. Ich verdanke Durga mein Leben … und auch das meines Babys. Wenn sie mich nicht gedrängt hätte, von dort zu verschwinden, wäre ich jetzt tot wie alle anderen. Mein Gott, wie bin ich ihr dankbar!
    Wie kriegen wir sie jetzt da raus? Gibt es irgendwelche rechtlichen Informationen, die ich von hier aus besorgen kann? Ich bin mir sicher, dass das britische Justizsystem nicht so streng mit ihr umgehen würde. Durga ist

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