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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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verlieren. Er sprach auch ganz normal oder jedenfalls so normal, wie irgendeiner von ihnen, denen der Durst die Kehle zuschnürte. Er hustete auch kein Blut mehr, nicht ein einziges Mal. Er hatte in der vergangenen Woche ziemlich abgenommen, machte aber trotzdem einen kräftigeren Eindruck als seit Tagen. Daß ein Mann, der ein Geschoß in der Lunge oder in den Rippen stecken hatte, die entsetzlichen Strapazen der vergangenen Woche überlebt haben sollte, noch dazu ohne jegliche ärztliche Versorgung oder irgendwelche Medikamente, war ein Wunder. Findhorns Widerstandskraft erschien Nicolson geradezu unglaubwürdig. Außerdem wußte er ja, daß Findhorn tatsächlich nichts hatte, wofür es sich zu leben lohnte, keine Frau, keine Familie, einfach gar nichts. Das machte die Zähigkeit, mit der er sich erholt hatte, um so erstaunlicher. Und auch um so bitterer; denn wenn er noch so viel Mumm im Leibe hatte, so war er doch ein schwerkranker Mann, dessen Ende nicht mehr sehr fern sein konnte. Vielleicht war es einfach sein Verantwortungsgefühl, das ihn am Leben hielt. Das war schwer zu sagen. Nicolson war zu müde, zu gleichgültig, um sich noch länger Gedanken darüber zu machen. Er schloß die Augen, um sie auszuruhen von dem grellen, flimmernden Glanz, der auf dem Wasser lag. Bald war er in der Mittagssonne sacht eingenickt.
    Er wurde davon wach, daß er jemanden trinken hörte. Es klang nicht, als ob jemand die kümmerliche Ration warmen, abgestandenen Wassers trank, die McKinnon dreimal am Tage austeilte, sondern da trank jemand in großen, gierigen Schlucken, gurgelnd und schlappernd, als hätte er einen Eimer angesetzt. Im ersten Augenblick dachte Nicolson, jemand wäre über den Rest ihres Trinkwasservorrats hergefallen, doch dann sah er Sinclair. Der junge Soldat, der in der Nähe des Mastes saß, hatte das Gefäß zum Ausschöpfen des Wassers im Boot an die Lippen gesetzt. Es war ein Wasserschöpfer von zwanzig Zentimeter Durchmesser, der eine ziemliche Wassermenge faßte. Er hatte den Kopf weit nach hinten gelegt und war eben dabei, die Neige auszutrinken. Nicolson stand auf, noch steif vom Schlaf, stieg vorsichtig über die Leiber hinweg, die auf den Sitzen und Bänken lagen, und nahm das Gefäß aus den Händen des Jungen, der keinen Widerstand leistete. Er hob den Wasserschöpfer an den Mund, ließ ein paar Tropfen auf seine Zunge rollen und verzog das Gesicht: Salzwasser. Er hatte es nicht anders erwartet. Der Junge starrte mit geweiteten, irren Augen zu ihm auf, mit einem Ausdruck hilflosen Trotzes. Vielleicht ein halbes Dutzend Leute beobachteten die Szene und sahen träge und gleichgültig zu ihnen her. Sie machten sich nichts daraus. Dabei mußten zumindest einige von ihnen gesehen haben, wie Sinclair den Schöpfer ins Meer tauchte und ihn dann an die Lippen setzte und trank. Aber sie hatten sich nicht bemüßigt gefühlt, ihn daran zu hindern. Sie hatten es nicht einmal für notwendig gefunden, zu rufen. Vielleicht hatten sie sogar gemeint, das sei eine gute Idee. Nicolson schüttelte den Kopf und sah zu dem Jungen hinunter.
    »Das war Seewasser, Sinclair, nicht wahr?«
    Sinclair antwortete nicht. Seine Lippen zuckten, als ob er versuchte, Worte zu bilden, doch es kam kein Laut heraus. Die verstörten Augen waren starr und ausdruckslos auf Nicolson gerichtet, und er zuckte nicht ein einziges Mal mit den Wimpern.
    »Haben Sie den ganzen Schöpfer leergetrunken?« fragte Nicolson eindringlich, und diesmal kam eine Antwort: der Junge begann mit brüchiger Stimme zu fluchen, laut und pausenlos. Mehrere Sekunden lang sah Nicolson wortlos zu ihm hinunter, dann zuckte er resigniert die Schultern und wandte sich ab. Sinclair kam halb von seinem Sitz hoch, und seine Finger griffen nach dem Wasserschöpfer, doch Nicolson stieß ihn zurück. Sinclair sank wieder auf seinen Sitz, ließ den Oberkörper vornüber fallen, verbarg das Gesicht in den Händen und bewegte langsam den Kopf hin und her. Nicolson blieb einen Augenblick unschlüssig stehen und begab sich dann nach achtern zur Ruderbank.
    Der Mittag kam und verging. Die Sonne überschritt den Zenit, und die Hitze wurde noch schlimmer. Im Boot war es jetzt ebenso geräuschlos wie leblos. Selbst das Gemurmel von Farnholme und Miss Plenderleith war verstummt; sie waren in einen unruhigen Schlaf gefallen. Und dann, kurz nach drei Uhr nachmittags, als es selbst für den Beherztesten so ausgesehen haben mußte, als seien sie verdammt und verloren in einem

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