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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Sie nicht zu früh, Willy«, sagte Nicolson warnend.
    »Was wollen Sie damit sagen?« Die Frage kam von Farnholme, und seine Stimme klang scharf.
    »Ich wollte damit nur sagen, daß Regenwolken nicht mit Notwendigkeit Regen bedeuten, weiter nichts.« Nicolson sagte es so beschwichtigend, wie er konnte. »Jedenfalls nicht in erster Linie.«
    »Sie wollen mir doch hoffentlich nicht erzählen, junger Mann, daß unsere Situation genauso schlecht bleiben könnte wie bisher?« Es gab nur einen Menschen im Boot, der Nicolson mit ›junger Mann‹ anredete.
    »Natürlich nicht, Miss Plenderleith. Diese Wolken sehen dick und schwer aus, und zunächst einmal bedeuten sie zweifellos Schutz vor der Sonne. Doch das, woran der Kapitän und ich ernstlich interessiert sind, das ist der Wind. Wenn er auffrischt und anhält, können wir irgendwann im Laufe der Nacht die Sunda-Straße erreichen.«
    »Warum haben Sie dann noch nicht Segel gesetzt?« fragte Farnholme.
    »Weil ich glaube, daß wir doch Aussichten haben, Regen zu bekommen«, erklärte Nicolson geduldig. »Und dann müssen wir das Wasser mit irgend etwas auffangen können, um es in die Tassen oder den Wasserschöpfer zu füllen, oder was wir sonst dazu benutzen. Und der Wind ist noch nicht kräftig genug, um auch nur einen Meter pro Minute Fahrt zu machen.«
    Danach wurde es wieder still im Boot, und fast eine Stunde lang fiel kein Wort. Als ihnen klar wurde, daß die Rettung nicht so unmittelbar bevorstand, wie sie gedacht hatten, überkam sie von neuem Gleichgültigkeit. Aber doch nur zum Teil. Die Hoffnung war geweckt, und keiner von ihnen hatte die geringste Neigung, sie wieder fahren zu lassen. Keiner schloß die Augen oder schlief wieder ein. Die Wolkenbank war noch immer da, voraus an Steuerbordseite, wurde beständig größer und dunkler und zog ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. Alle starrten unverwandt darauf, und vielleicht war das der Grund, weshalb niemand eher auf Sinclair achtete, bis es dann zu spät war.
    Es war Gudrun Drachmann, die es als erste bemerkte. Was sie sah, ließ sie von ihrem Sitz hochfahren und so rasch sie nur konnte durch das Boot nach vorn klettern, dorthin, wo Alex saß. Er hatte die Augen verdreht, daß nur noch das Weiße zu sehen war. Er wurde von krampfhaften Zuckungen geschüttelt, daß seine Zähne aufeinanderschlugen, und sein Gesicht war kreidebleich. In dem Augenblick, da das Mädchen bei ihm ankam und ihn sanft und bittend bei seinem Namen rief, fuhr er von seinem Sitz hoch und gab ihr einen Stoß, daß sie schwankte und gegen den Brigadier fiel. Und dann, noch ehe die andern begriffen hatten, was geschah, noch ehe sie etwas tun konnten, riß er sich das Hemd vom Leib, warf es dem herankommenden Nicolson ins Gesicht, sprang über Bord und landete mit einem lauten Klatscher im Wasser.
    Sekundenlang verharrten alle unbeweglich, wie erstarrt. Alles war so rasch und unvermutet gewesen, daß sie nicht wußten, ob sie sich das Ganze nicht nur eingebildet hatten. Doch der leere Platz auf der Ducht vorn im Boot war so wenig eine Einbildung wie die größer werdenden Kreise auf der glatten Wasseroberfläche. Nicolson stand regungslos da und hielt das zerfetzte Hemd in der Hand. Das Mädchen hielt sich noch immer an Farnholme fest und sagte wieder und wieder »Alex, Alex« vor sich hin. Und dann war achtern ein zweiter Klatscher zu hören, diesmal nicht so laut: der Bootsmann war ihm nachgesprungen.
    Dieses zweite Geräusch riß Nicolson ruckartig aus seiner Erstarrung und ließ ihn aktiv werden. Er bückte sich, ergriff den Bootshaken, war mit einem schnellen Schritt an der Bordwand und kniete sich auf die Bank. Er hatte fast automatisch seinen Colt herausgeholt, und hielt ihn in der anderen Hand. Der Bootshaken war für McKinnon bestimmt, die Pistole für den jungen Soldaten. Der von panischer Angst diktierte Klammergriff eines Ertrinkenden war schon übel genug; der Himmel allein mochte wissen, mit welcher Kraft sich ein ertrinkender Irrer festklammern würde.
    Sinclair ruderte etwa sechs Meter vom Boot entfernt mit wilden Bewegungen im Wasser herum, und McKinnon, der eben wieder aufgetaucht war, plantschte entschlossen auf ihn zu – wie fast alle Leute, die auf einer Insel großgeworden sind, war auch er kein besonderer Schwimmer –, als Nicolson etwas gewahr wurde, das ihm das Herz stocken ließ. Er ließ den Bootshaken in weitem Bogen durch die Luft sausen, daß er keine zehn Zentimeter neben McKinnons Schulter ins Wasser

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