Die Überlebenden der Kerry Dancer
Augen war ein roter Nebel, in dem Funken sprühten, und er wußte, daß diese Funken nicht von den heftig brennenden Wänden des Versammlungshauses kamen, sondern von seinem eigenen Blut, das in seinem Kopf hämmerte. Die Kräfte verließen ihn, und es wurde ihm langsam schwarz vor den Augen, als er wie aus weiter Ferne den Mann, der ihn im Würgegriff hielt, tödlich getroffen aufschreien hörte. Im nächsten Augenblick hatte McKinnon ihn am Arm ergriffen und riß ihn in taumelndem Laufschritt durch den flammenden Eingang nach draußen. Doch es war schon zu spät – zu spät jedenfalls für Nicolson. Der brennende Dachbalken, der von oben herunterfiel, traf ihn nur kurz am Kopf und auf der Schulter und prallte ab, doch auch dieser kurze Schlag war genug, war mehr als genug für seinen geschwächten Zustand. Es wurde endgültig schwarz vor seinen Augen.
Als er fast eine Minute später wieder zu sich kam, lag er an der Wand der nächsten durch die Windrichtung vor der Hitze des Brandes geschützten Hütte. Er nahm undeutlich wahr, daß irgendwelche Leute um ihn herumstanden, und daß Miss Plenderleith ihm mit einem Tuch Blut und Ruß aus dem Gesicht wischte. Durch den trübenden Film, der über seinen Augen lag, sah er eine riesige Flamme, die zehn oder zwölf Meter hoch senkrecht in den schwarzen, Sternenlosen Himmel stieg, während das Versammlungshaus, von dem die eine Wand und der größte Teil des Daches bereits in Flammen aufgegangen war, wie eine Fackel niederbrannte.
Langsam kehrte sein Bewußtsein zurück. Er erhob sich schwankend und stieß Miss Plenderleith unsanft beiseite. Er stellte fest, daß kein Schuß mehr fiel. Aus der Ferne hörte er das lauter und leiser werdende Geräusch des Motors eines Lastwagens, dessen Fahrer krampfhaft schaltete: die Japaner, soweit sie am Leben geblieben waren, fuhren in panischer Eile davon.
»McKinnon!« Er mußte schreien, um das laute Prasseln der Flammen zu übertönen. »McKinnon! Wo sind Sie?«
»Er ist irgendwo auf der anderen Seite des Versammlungshauses«, sagte Willoughby und zeigte mit der Hand auf das brennende Gebäude. »Ihm ist nichts passiert, Jonny.«
»Sind alle raus?« fragte Nicolson. »Oder ist noch jemand da drin? Antworten Sie doch, verdammt noch mal!«
»Ich glaube, es sind alle draußen, Sir«, sagte Walters, der neben ihm stand, mit zögernder Stimme. »Von denen, die bei uns saßen, ist keiner mehr drin. Das weiß ich genau.«
»Gott sei Dank!« sagte Nicolson. Dann fragte er plötzlich: »Ist van Effen draußen?«
Keiner antwortete.
»Haben Sie meine Frage nicht gehört?« brüllte Nicolson. »Ist van Effen draußen?« Sein Blick fiel auf Gordon, er war mit zwei schnellen Schritten bei ihm und packte ihn bei den Schultern. »Ist van Effen noch da drin? Sie waren ihm am nächsten?«
Gordon starrte ihn verständnislos an, aus Augen, die noch immer geweitet waren vor Furcht. Er öffnete den Mund zum Sprechen, seine Lippen zuckten, doch er brachte kein Wort heraus. Nicolson ließ die Schulter los, die er umklammert hielt, und schlug ihm zweimal mit voller Wucht ins Gesicht, einmal mit der offenen Hand und einmal mit dem Handrücken, und ergriff ihn erneut, ehe er umfallen konnte.
»Antworten Sie mir, Gordon, oder ich bringe Sie um. Haben Sie van Effen da drin liegen lassen?«
Gordon, auf dessen vor Angst bleichem Gesicht rote Striemen erschienen, wo Nicolson ihn geschlagen hatte, nickte verkrampft.
»Sie haben ihn da drin liegenlassen?« fragte Nicolson ungläubig. »Sie haben ihn in diesem höllischen Feuer gelassen?«
»Er wollte mich umbringen!« wimmerte Gordon. »Er war drauf und dran, mich zu erschießen.«
»Sie verdammter Idiot. Er hat Ihnen das Leben gerettet. Er hat uns allen das Leben gerettet.« Er gab Gordon einen Stoß, so daß er taumelnd zurückwich, stieß die Hände, die ihn halten wollten, beiseite, hatte die zehn Schritte bis zum Versammlungshaus hinter sich gebracht und war durch den flammenden Vorhang, der den Eingang verhüllte, mit einem Satz hindurch, noch ehe er sich bewußt geworden war, was er da eigentlich tat.
Die Hitze im Innern des Raumes traf ihn mit der Wucht eines Faustschlages, überspülte ihn wie eine große Woge brennenden Schmerzes und schlug über ihm zusammen. Die heiße Luft, deren lebenspendender Sauerstoff verbraucht war, drang sengend wie Feuer in seine Lungen. Er roch den versengten Geruch seines Haares, die Tränen schossen ihm in die Augen und drohten, ihm die Sicht zu benehmen.
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