Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
Vom Netzwerk:
Manche ziehen sich die Decke über den Kopf, weil sie in diesem Augenblick nicht fotografiert werden wollen.
    Einige haben keine Schuhe an, manche steigen barfuß aus. Der Welt -Artikel beschönigt nichts. Die körperliche und psychische Verfassung der meisten Passagiere sei schlecht. »Nur einige scheinen noch gut bei Kräften.« Manche Paare gehen nicht gemeinsam die Gangway hinunter. Diese Frauen und Männer beachten einander nicht einmal. Ihr Verhalten ist Ausdruck dessen, was sie miteinander, oder besser ohne einander, im Flugzeug erlebt haben.
    Die Geiseln sind offenbar nicht auf die große Menschenmenge, der sie entgegentreten, und auch nicht auf die Journalisten vorbereitet worden, obwohl der Psychologe Wolfgang Salewski mit ihnen zurückgeflogen ist.
    »Dann stellen Sie sich vor, in Frankfurt angekommen, steht eine solche Menschenmenge da«, erzählt Cäcilie Meijer-Werner 1980 der Journalistin Rosvita Krausz, »wir stehen im Gang, da sage ich: ›Oh, da sind aber viele Menschen! Auf wen warten die?‹ Die Dame hinter mir sagt: ›Ach, um Gottes willen, was ist hier los?‹ Ein Herr dahinter: ›Kommt hier vielleicht zur gleichen Zeit eine Fußballmannschaft?‹«
    Als Cäcilie Meijer-Werner erfasst, dass die vielen Menschen wegen der befreiten Geiseln gekommen sind, also auch ihretwegen, ist sie zum ersten Mal seit Tagen den Tränen nah. Eine Frau, die das mitbekommt, sagt zu ihr, sie müsse nicht mehr weinen, sie sei ja jetzt zu Hause.
    Direkt am Flugzeug werden die Zurückkehrenden nicht von ihren Angehörigen, sondern von Politikern erwartet. Der Welt -Artikel braucht einen ganzen Absatz, um die politische Prominenz an der Gangway aufzuzählen. Zu ihr gehören der hessische Ministerpräsident Holger Börner, der Frankfurter Oberbürgermeister Walter Wallmann, Arbeitsminister Herbert Ehrenberg, Gesundheitsministerin Antje Huber, Forschungsminister Hans Matthöfer, Landwirtschaftsminister Josef Ertl und Angehörige des Lufthansa- 90 Vorstandes. Alle schütteln den befreiten und verdutzten Geiseln demonstrativ die Hände.
    Gabriele Dillmann wird auf eine Bahre gelegt und in ein Krankenhaus gebracht. Die anderen Geiseln steigen in bereitgestellte Busse, die sie in die Lufthansa-Kantine bringen. Schon auf dem Weg zu den Bussen und aus den Bussen heraus müssen die Geiseln Interviews geben. Auf dem Flugfeld sind auch Teams des Ersten und Zweiten Deutschen Fernsehens zugelassen. Manche Geiseln antworten mit einer Energie, als wolle das Erlebte jetzt aus ihnen herausdrängen, andere wenden sich ab, weil sie Ruhe brauchen. Erst danach dürfen die Rückkehrer von ihren Angehörigen und Freunden in Empfang genommen werden. In der Lufthansa-Kantine spielen sich, so der Welt -Beitrag weiter, »erschütternde Szenen ab. Die befreiten Geiseln schließen ihre Ehemänner oder Kinder in die Arme. Einige sinken völlig entkräftet, überwältigt von der scheinbar erst jetzt innerlich realisierten Befreiung, auf bereitstehende Tragen nieder.«
    Der Saal erweist sich als nicht sicher vor der Presse. Vor einer langen Glasfront sind Spanische Wände aufgestellt, ein Sichtschutz, der nicht sehr hoch ist und auch nicht bis zum Boden reicht.
    »Vollgehängte Kleiderständer«, schreibt die Chefstewardess der »Landshut«, Hannelore Piegler, in ihren Erinnerungen, »die man vor die breite Fensterfront geschoben hatte, schirmten uns notdürftig vor den Blicken der Neugierigen ab, die einen Blick auf uns werfen wollten. Es nützte nicht viel, denn wieselflink, die schweren Kameras um den Hals, erspähten die Reporter die kleinen Lücken, welche die Kleiderständer offen ließen. Als ich aufschaute, sah ich, wie einige von ihnen hochhüpften und dabei die Auslöser betätigten.« Jürgen Vietor erzählt: »Ich ziehe mich um, und die fotografieren mich dabei. Da bin ich zu ein paar Lufthansa-Mitarbeitern gegangen und habe gesagt: ›Diese Idioten hinter der Scheibe fotografieren uns!‹ Dann sind die Mitarbeiter hinausgegangen und haben sie vertrieben.«
    Nach dem nicht ganz privaten Empfang der befreiten Geiseln 91 im Familienkreis ist eine Feierstunde in der Werkshalle 3 der Deutschen Lufthansa angesetzt. Mit dieser Feier soll des toten Kapitäns Jürgen Schumann, dessen Sarg im Flugzeug der »Landshut«-Passagiere mitgekommen ist, gedacht und sollen die befreiten Geiseln von Bundesregierung und Lufthansa offiziell begrüßt werden.
    Gabriele Dillmann ist am Bein behandelt worden und kommt ebenfalls zur Feier. »Ich war so froh,

Weitere Kostenlose Bücher