Die Übermacht - 9
in seinem störrischen Ehrgefühl verstrickte und es keinen Ausweg mehr gäbe. Lywys Gardynyr war ein entschieden zu guter Mann: Man durfte nicht zulassen, dass er sich selbst der Inquisition auslieferte, gerade wegen der Dinge, die ihn zu einem so guten Mann machten. Selbst wenn es anders gewesen wäre, konnte sich Mutter Kirche schlichtweg nicht leisten, den einzigen Admiral zu verlieren, der in der Lage war, sich den Charisianern auch zu deren Bedingungen im Kampf zu stellen.
»Angenommen, Pater Greyghors Berichte treffen zu«, sagte er dann. »Was können wir im Angesicht einer solchen Waffe unternehmen?«
»Gar nichts, Mylord.« Thirsk zog beide Augenbrauen hoch. Sein Tonfall klang ernstlich überrascht. »Wenn die es schaffen, ihre Kanonenkugeln innerhalb unserer Schiffe zur Explosion zu bringen, macht dieser Vorteil im Kampf sie praktisch unbesiegbar. Möglicherweise könnte wir ihnen immer noch nahe genug kommen, um ihren Schiffen Schäden zuzufügen. Aber das hätte einen gewaltigen Preis: Wir müssten ihnen so nahe kommen, dass auch sie in Reichweite sind. Und sie können unsere Schiffe dann nicht nur beschädigen, sondern schlichtweg versenken.«
»Also können wir gar nichts tun?« Maik konnte seine Besorgnis nicht verhehlen. Der Graf zuckte die Achseln.
»Vorerst, Mylord, ist die einzig sinnvolle Reaktion herauszufinden, wie man diese Hohlkugeln herstellt, um sie eines Tages selbst zum Einsatz zu bringen. Bis wir es den Charisianern nicht in gleicher Münze heimzahlen können, dürfen wir es nicht wagen, uns ihnen zum Kampf zu stellen. Aber in mancherlei Hinsicht könnte uns das durchaus zum Vorteil gereichen – wenn wir erst einmal herausgefunden haben, wie auch wir diese Waffen herstellen können, meine ich.« Auch er verzog jetzt das Gesicht. »Ein Schiff kann nur sehr, sehr wenige Treffer mit einer solchen Waffe überstehen. Das bedeutet, so fürchte ich, dass es bei Seeschlachten in Zukunft nur noch darauf hinauslaufen kann, einander zu versenken. Das aber wäre für uns von immensem Vorteil. Schließlich verfügen wir über ungleich mehr Männer und können viel leichter und schneller Ersatz für verlorene Schiffe bauen lassen. Beizeiten werden wir es uns leisten können, zwei oder vielleicht sogar drei unserer Schiffe gegen ein charisianisches einzutauschen. Der Preis dafür, sowohl an harter Münze wie auch an Menschenleben, wird natürlich entsetzlich sein. Aber letztendlich werden wir den Preis zahlen können, der Gegner hingegen nicht.«
Ganz offenkundig behagte ihm ganz und gar nicht, das auszusprechen. Maiks Gesicht verhärtete sich. Er war zur selben Schlussfolgerung gekommen.
»Es ist gar nicht so schlimm, dass es uns einige Zeit kosten wird, Hohlgeschosse produzieren und mit Zündern ausstatten zu können«, fuhr Thirsk fort. »Die Flotte Gottes muss eh neu aufgebaut werden. Erst danach können wir darüber nachdenken, uns den Charisianern auf See erneut zum Kampf zu stellen. Sie haben ihre Flotte ja zudem um reichlich Prisen aufgestockt. Nun, für mich sieht es ganz so aus, als ob ...«
Unvermittelt brach er ab. Konzentriert blickte er ins Leere, als betrachte er etwas, das Maik nicht zu sehen vermochte. Mehrere Sekunden schwieg er, dann blinzelte er.
»Ihnen ist etwas eingefallen, oder?«, fragte Maik. Der Graf blickte ihn an. Der Weihbischof lachte leise. »Dieses Blinzeln kenne ich von Ihnen doch schon, mein Sohn! Spucken Sie’s schon aus!«
»Na ja, mir kam die Idee, das Problem mit den neuen Waffen der Charisianer wäre gelöst, wenn wir verhinderten, dass die Geschosse in unseren Schiffen explodieren. Sofern das überhaupt machbar ist.«
»Wie könnte man deren Explosion denn verhindern?« Maik wirkte ernstlich verblüfft. Thirsk schüttelte den Kopf.
»Vergebt mir, Mylord, ich hätte mich klarer ausdrücken sollen. Ich meinte, wir müssen eine Möglichkeit finden, zu verhindern, dass sie innerhalb unserer Schiffe explodieren. Dafür müssten wir verhindern, dass sie überhaupt erst in unsere Schiffe eindringen.«
»Und wie könnte man das schaffen?«
»Ich bin mir nicht sicher«, gestand Thirsk ein. »Im Augenblick fällt mir nur ein, die Schiffswandungen zu panzern. Aber ich glaube nicht, dass es ausreichen würde, die Materialstärke zu erhöhen. Also müsste man wohl außen an den Planken eine Art Schutzschicht anbringen – vielleicht Eisenplatten.«
»Wäre das möglich?«, setzte Maik nach. Er schien fasziniert. Wieder zuckte Thirsk mit den
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