Die Übermacht - 9
des Kommandanten auszufüllen.
»Das haben Sie nicht zu beurteilen, Lywys«, entgegnete Weihbischof Staiphan Maik. Seine Miene war sehr streng, der Blick aus seinen Augen nachgerade grimmig. Aber seine Stimme klang, gerade unter diesen Umständen, für einen Schueleriten bemerkenswert sanft.
»Mylord, Ihr wisst doch genau, was geschehen wird!« Verzweiflung flackerte in Thirsks Augen auf, so hart sein Blick auch scheinen mochte.
»Wir beide sind Söhne von Mutter Kirche«, gab Maik deutlich strenger zurück. »Es liegt nicht an uns, ihr Handeln zu beurteilen, sondern nur, ihre Befehle zu befolgen!«
Dieses Mal blitzten Thirsks Augen auf. Aber er verbiss sich eine zornige Erwiderung. Er hatte den Weihbischof recht gut kennen gelernt – manchmal war er der Ansicht, er habe ihn besser kennen gelernt, als es ihnen beiden gut tat. So wusste er, dass Maik keinen Deut glücklicher über diesen jüngsten Befehl war als er selbst. Dennoch hatte der Kirchenmann Recht. Es stand ihnen wirklich nicht zu, über die Entscheidungen und das Handeln der Kirche zu urteilen. Selbst wenn die Entscheidungen im Augenblick von Mördern gefällt wurden, an deren Händen schon viel zu viel Blut klebte.
Lieber Gott , dachte er in die Stille seiner eigenen Gedanken hinein, wir kannst Du so etwas geschehen lassen? Und warum lässt Du das geschehen? Das ist falsch! Ich weiß es, Bischof Staiphan weiß es, und doch werden wir beide es tatenlos geschehen lassen, weil Deine Kirche es so von uns verlangt. Was denkst Du Dir denn nur dabei?
Ein Teil von ihm schrak vor der Respektlosigkeit seiner eigenen Frage zurück. Er konnte jedoch nicht umhin, sie zu stellen. Immer wieder fragte er sich, warum Gott, so unergründlich Seine Wege auch waren, jemanden wie Zhaspahr Clyntahn zum Großinquisitor hatte aufsteigen lassen. Für Thirsk ergab das überhaupt keinen Sinn, so sehr er versuchte, alles zu ordnen und irgendwie ein Muster zu entdecken, das er verstehen und akzeptieren könnte.
Aber auch wenn ich nicht verstehe, warum das geschehen muss , dachte er, und seine Schultern sackten herab, verstehe ich doch verdammt noch mal genau, was hier geschieht!
Ruckartig wandte er sich von dem Weihbischof ab, starrte aus dem geöffneten Heckfenster des Schiffes und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Er verkrampfte sie so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, während er gegen Zorn und Verzweiflung ankämpfte. Schon jetzt hatte er Maik in eine äußerst unschöne, sogar gefährliche Position gebracht, und das wusste er auch. Genauso, wie er alle Gründe dafür kannte, es besser zu unterlassen. Selbst der aufgeschlossenste Schuelerit konnte in Zeiten wie diesen nicht über alles hinwegsehen: Alles hatte seine Grenzen. Und diesen Grenzen war Graf Thirsk bereits gefährlich nahe gekommen. Das war ganz besonders verwerflich, wo doch gerade dieser Schuelerit sich so sehr bemühte, das Richtige und Anständige zu tun – trotz der nur allzu realen Gefahr, in die er sich damit brachte.
»Ihr habt Recht, Mylord«, sagte Thirsk schließlich. Er blickte dabei immer noch durch das Fenster auf den Hafen hinaus. »Wir sind wahrhaftig Söhne von Mutter Kirche. Wir haben keine andere Wahl, als die Befehle ihres Vikariats und des Großinquisitors zu befolgen. Es steht uns auch nicht zu, ihre Befehle in Frage zu stellen. Aber gestattet mir, als reiner Laie zu Euch zu sprechen, nicht als der Kommandeur einer der Flotten von Mutter Kirche«, und der einzigen effektiven Flotte, die sie überhaupt noch hat , setzte er in Gedanken hinzu. »Als Laie muss ich doch meiner Besorgnis darüber Ausdruck verleihen, welche Folgen diese Entscheidung haben kann. Ich würde in sträflicher Weise meine Pflichten vernachlässigen, täte ich das nicht, und ...«
»Hören Sie auf, mein Sohn!«, fiel Maik dem Admiral ins Wort. Thirsk blickte ihn über die Schulter hinweg an, und der Weihbischof schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, was Sie sagen wollen, und wenn ich es rein mit militärischer und weltlicher Logik betrachte, muss ich Ihnen zustimmen. Das wird eine Situation herbeiführen, die die Ketzer nur allzu leicht dazu bewegen mag, Gräueltaten gegen die treuen Söhne von Mutter Kirche zu begehen. Und mir ist voll und ganz bewusst, inwieweit sich das ... negativ auf die Bereitschaft der Gegenseite auswirken wird, unseren Soldaten und Matrosen überhaupt erst Gnade zu gewähren. Von dieser Warte aus betrachtet kann ich dem, was Sie sagen wollten, nichts entgegensetzen.
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