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Die Übermacht - 9

Die Übermacht - 9

Titel: Die Übermacht - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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seiner Körpergröße, der einen mit Wucht umreißt und auf einem zu liegen kommt, hätte wohl jedem die Luft aus der Lunge gepresst.
    Als Merlin der Kaiserin auf die Beine half, bescherte das Gahrvai eine Schrecksekunde: Sharleyans Gesichtsausdruck und die Art, wie sie die Schultern hielt, ließen ihn fest annehmen, sie sei doch getroffen worden. Sie hielt sich gekrümmt, die linke Hand fest gegen die Rippen gepresst. Ihr Gesicht war blass und angestrengt. Doch dann richtete sie sich wieder auf, atmete vorsichtig durch. Heftig schüttelte sie den Kopf, als Merlin ihr etwas zuflüsterte.
    Rufe und Schreie hatten den ganzen Saal erfüllt. Niemand war den beiden nahe genug, um zu hören, was der Seijin zur Kaiserin sagte. Doch Gahrvai glaubte zu wissen, was Merlin ihr geraten hatte. Bedauerlicherweise hatten selbst Seijins Grenzen. Ganz offenkundig gehörte Sharleyan Tayt Ahrmahk zu den Menschen, die zumindest diesem Seijin sehr rasch Grenzen setzen konnten.
    »Setzen Sie sich!«, rief die Kaiserin. Irgendwie schaffte sie es sogar, so laut zu sprechen, dass jeder sie verstand. Zuerst starrten nur diejenigen sie fassungslos an, die dem ganzen Geschehen am nächsten waren. Dann wiederholte die Kaiserin ihren Befehl noch einmal aus Leibeskräften. Es dauerte keine zwei Minuten – und für Gahrvai war das Zauberei, die über seinen Verstand ging – und sie hatte für Ordnung im Saal gesorgt. Sie stand da, beinahe aufrecht, eine Hand immer noch an die Rippen gepresst.
    Merlin Athrawes stand neben ihr, die Pistole in der Hand. Mit gnadenlosen Saphir-Augen suchte er die Sitzbänke der Zuhörer ab. Auf der anderen Seite der Kaiserin stand Sergeant Seahamper mit Mordlust im Blick. Gahrvai verstand beide. Gott allein wusste, ob es noch einen weiteren Attentäter gab. Gahrvai erschien das zwar unmöglich, aber er hatte auch nicht für möglich gehalten, dass der erste Attentäter ungehindert in den zum Gerichtssaal umfunktionierten Ballsaal hatte gelangen können. Wenn es einen weiteren Attentäter gab, wäre die schlanke Frau in den blauweißen Gewändern, die ihre Krone verloren hatte, deren Haar sich löste und nun ihre Schultern umspielte, ein perfektes Ziel.
    Doch das schien die Kaiserin nicht zu bemerken – ebenso wenig wie die Prellung auf ihrer Wange, die sich schon jetzt dunkel abzeichnete. Die Kaiserin stand da, ungedeckt, und brachte die Corisandianer allein mit ihrer Willenskraft dazu, sich wieder auf ihre Plätze zu setzen. Erst als auch der Letzte saß, nahm sie wieder auf dem Thron Platz. Sehr aufrecht saß sie da, den linken Arm an den Rippen.
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie ruhig. Ihre Ruhe wirkte unter diesen Umständen schlicht bizarr. Dann brachte sie sogar ein Lächeln zustande. Vielleicht fiel es ein bisschen schwach aus und verschwand rasch wieder, doch wer konnte ihr das verdenken? Mit der rechten Hand strich sie sich eine Strähne ihres herrlichen schwarzen Haars hinter das Ohr und schüttelte den Kopf.
    »Ich bedauere zutiefst, was geschehen ist«, sagte sie und blickte auf den Leichnam, der in einer Blutlache lag. Vier von Gahrvais Gardisten machten sich gerade erst daran, ihn fortzuschaffen. Sharleyans braune Augen wirkten traurig. »Zweifellos weint Gott, wenn er sieht, wie Seine Kinder zu Gewalt greifen.«
    Von der Kaiserin ging Ruhe aus wie Licht von der Sonne. Als die Gardisten den Leichnam fortschleppten, scharrten die Fersen des Toten über den Marmorboden. Das Geräusch war übernatürlich laut in der völligen, widernatürlichen Stille des Saales. Die Kaiserin blickte dem Mann hinterher, der soeben versucht hatte, sie zu ermorden. Eine feine Blutspur, dunkel im Schein der Lampen, zog er hinter sich her. Dann verschwanden die Gardisten mit dem Toten durch die Flügeltür. Einige Herzschläge hing Sharleyans Blick an der Tür, ehe er sich wieder auf das Publikum im Saal richtete.
    »Es gibt Momente«, sagte die Kaiserin, »da trifft mich das Töten und all der Hass tief ins Mark. In solchen Momenten frage ich mich, was für eine Welt meine Tochter eines Tages erben wird. Wer wird darüber entscheiden, wie die Menschen auf dieser Welt leben? Was wird man ihnen zu glauben gestatten?«
    Erstaunt bemerkte Gahrvai, dass Sharleyan Ahrmahk auf das kaiserliche ›Wir‹ verzichtet hatte. Noch erstaunter war er, als er sah, wie sich all die Corisandianer auf ihren Sitzbänken einer chisholmianischen Königin entgegenbeugten, die zugleich auch eine charisianische Kaiserin war. Alle lauschten ihr

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