Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Übermacht - 9

Die Übermacht - 9

Titel: Die Übermacht - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
gebannt. Sie war nicht mehr die Monarchin des Reiches, das das Fürstentum erobert hatte und Vergeltung nahm. In diesem Augenblick war Sharleyan Ahrmahk eine junge Mutter, die sich um ihr Kind sorgte. Eine junge Frau, die gerade einen Mordanschlag überlebt hatte. Und sie war eine Stimme der Ruhe, wo sie doch eigentlich Rache an all jenen üben müsste, die das zugelassen hatten.
    »Ist es wirklich das, was wir wollen?«, fragte sie mit der gleichen ruhigen Stimme. »Wollen wir unsere Streitigkeiten wirklich mit Mord beilegen? Wollen wir, die wir auf der einen Seite stehen, dafür sorgen, dass jenen auf der anderen Seite keine andere Wahl mehr bleibt, als zu töten oder selbst getötet zu werden? Es tut mir in der Seele weh zu wissen, wie viele Menschen bereits ihr Leben lassen mussten. Einige von ihnen kannte ich persönlich, einige waren Freunde und Verwandte. Viele andere, ungleich viel mehr, habe ich nie kennen gelernt, aber auch sie waren jemandes Verwandte oder Freunde. Und doch wird die Zahl der Toten noch weiter steigen. Wir stehen gerade erst am Anfang. Gestern habe ich hier vor Ihnen gesessen und neununddreißig Männer und Frauen dem Scharfrichter überantwortet. Morgen und am Tag darauf werden es noch mehr werden. Denn mir bleibt keine andere Wahl. Und diese Entscheidungen, die Bestätigung jener Todesurteile, verhängt über so viele, die vor meinen Thron geführt wurden und werden, werden mich den Rest meines Lebens begleiten. Glauben Sie, eine geistig normale, gesunde Frau wünscht , den Tod anderer zu befehlen? Glauben Sie wirklich, ich würde nicht lieber – viel, viel lieber – eine Begnadigung aussprechen, so wie gerade eben für Meister Ibbet, Pahlmahn, Lahmbair und den jungen Dobyns? Trotz allem, was die ›Vierer-Gruppe‹ behaupten mag, verlangt Gott nicht von uns, uns am Blut und am Leid unserer Feinde zu ergötzen!«
    Sie schwieg einen Moment. Ihr Gesicht wirkte unendlich traurig. Der Gestank vergossenen Blutes und entleerter Gedärme und der Schwefelgeruch abgebrannten Schießpulvers lag in der Luft wie der Gestank Shan-weis persönlich. Dann schüttelte die Kaiserin den Kopf.
    »Ich wünschte, ich hätte einen Zauberstab, mit dem ich dafür sorgen könnte, dass das alles aufhört. Aber ich habe ihn nicht; ich kann es nicht beenden. Der einzige Frieden, den jemand wie Zhaspahr Clyntahn akzeptieren wird, verlangt die Vernichtung all dessen, was ich kenne, was ich liebe, was ich schätze. Die einzige Übereinkunft, die er jemals tolerieren wird, bestünde darin, dass jedes Kind Gottes nach Clyntahns eigenen Regeln und Gesetzen lebt – nach verzerrten, perversen Regeln und Gesetzen, die er selbst aufgestellt hat und als Gottes Wille darstellt. Charis hat diesen Krieg nicht angefangen, meine Freunde! Charis hat diesen Krieg nur überlebt. Und Charis wird weiterhin alles tun, was erforderlich ist, um zu überleben. Denn genau das schuldet Charis dem eigenen Volk und auch Gott.
    Genau das hat mich auf diesen Thron und in diesen Saal geführt und mich dazu gebracht, Todesurteile zu verhängen und vollstreckt zu sehen. Viele dieser Menschen haben jenes Urteil mehr als verdient. Bei anderen ist es weniger offenkundig, wie klar und deutlich auch immer das Gesetz sein mag. In wieder anderen Fällen verlangt das Gesetz etwas, das weder wahre Gerechtigkeit ist, noch das, was Mitgefühl und Gnade verlangen. Will ich beschützen, was zu beschützen mir aufgetragen ist, muss ich stets bedachtsam sein und sehr, sehr vorsichtig. Aber wo sich mir eine Gelegenheit bietet, werde ich Gnade walten lassen – wann immer ich kann, wem gegenüber ich kann. So häufig, wie ich es mir ersehne, wird das nicht möglich sein, auch nicht so häufig, wie Sie es sich wahrscheinlich ersehnen. Und ich bitte um Gottes Unterstützung für mich und meine unsterbliche Seele für jedes Mal, wo mir die Möglichkeit, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, nicht bleibt.«
    In der Stille, die folgte, war deutlich zu hören, wie Stoff riss. Edwyrd Seahamper zerteilte Spynsair Ahrnahlds Ärmel und legte dem Schreiber Ihrer Majestät der Kaiserin einen Verband mit Fleming-Moos an. Das Verbandmaterial kam aus dem kleinen Erste-Hilfe-Päckchen, das jeder Angehörige der Kaiserlichen Garde stets an seinem Gürtel trug. Von ihrem Podest aus musterte Sharleyan das blasse Gesicht ihres Schreibers. Dann neigte sie den Kopf ein wenig.
    »Können Sie denn weitermachen, Spynsair?«, fragte sie ihn. Ahrnahld war nicht der Einzige, der ob dieser Frage

Weitere Kostenlose Bücher