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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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der Pogumer Kirche, als sie die Räder in den Schuppen schieben. Jetzt, denkt Fokko, will ich nirgends mehr hin.
     
    Wie ein verspätetes Abendrot leuchten die Lichter der Stadt ihnen entgegen, als sie über die Kuppe sind, auf der Höhe von Gut Honeburg, da ist er vor ewiger Zeit einmal mit ihr spazieren gewesen, sie hatte von der jahrhundertealten Vergangenheit gesprochen, die sie fasziniere, weil einzig der Mensch in der Lage sei, dynastisch zu denken, über die Grenze seiner persönlichen Biographie hinaus, er selbst hatte nur an die Zukunft gedacht, die er sich damals an ihrer Seite gewünscht hatte.
    Die Ampel bei der Limonadenfabrik springt auf Rot. Hinrich hält den Wagen an und pult seine Kapitänsuhr aus der Hosentasche.
    »Zwanzig nach elf.«
    Fokko nickt. Die Zeit ist gut, da ist Eva garantiert im Crocodile . Er weiß, die Geschichte hat lange ein Ende, ist ausführlichst von einer anderen überschrieben, die ihm schöner, vor allem ehrlicher erscheint, dennoch wünscht er, ihr nicht zu begegnen. Will mit keinem Wort zur Rede gestellt werden, will nicht der geringsten Spur von Ironie aus ihren Augen standhalten müssen, will nur ein paar Sachen in den Fischlaster packen und flugs wieder fort.
    »Beinahe drei Stunden«, sagt Hinrich. »Das geht mit dem alten Kasten nicht so richtig von der Stelle. Wenn wir um vier zurück sein sollen, haben wir kaum mehr als ein Stunde für deine Sachen.«
    »Das reicht. Der Sessel, die Kommode und ein Regal. Die Anlage, ein paar Kartons mit Büchern und Platten, eine Tasche mit Kleinkrams und weg sind wir.«
    Fokko holt die Zauberuhr aus dem Rucksack.
    »Haste dein Spielzeug mitgenommen?«
    Sie fahren die Hansastraße runter.
    »Ich hatte so ein Gefühl«, sagt Fokko, »daß ich die vielleicht brauchen kann.«
    »Ihretwegen?«
    »Nein, ja, wenn wir gestört werden.«
    Auf der Kreuzung mit der Wachsbleiche fällt sein Blick nach links, und mit einem Mal ist ihm die Vergangenheit Gegenwart. Er öffnet die Uhr. Nichts rührt sich mehr, die wenigen Wagen, die unterwegs waren, stehen mit aufgemalten Abgaswolken still, an einer Ampel wartet ein Radfahrer nun für ein Jahrzehnt auf grünes Licht und Hinrich sieht mit seinem freundschaftlichen Lächeln für alle Zeit schräg zu ihm her. Wollte wahrscheinlich gerade eine geistreiche Bemerkung machen.
    Fokko legt die geöffnete Uhr in das Handschuhfach, steigt aus dem Wagen, geht über die Kreuzung und in die Wachsbleiche zur Tankstelle. Der Zapfhahn leuchtet und Fokko weiß, wenn er genau hinsehen würde, könnte er sich in dem rechten Silberauge näherkommen sehen. An der Zapfsäule steht ein alter Golf mit breiten Reifen. Am Steuer sitzt ein Mann mit einer weißen Kapuze über dem Kopf.
    Nur der Nachtschalter ist geöffnet. Fokko erkennt Dick am Tresen, wie er sich über eine aufgeschlagene Zeitung beugt. Er hat das alte Schlüsselbund mit, da ist der für die Tanke dabei. Eine Weile geht Fokko umher und schaut sich um. Kein Stück hat sich verändert. Im Sozialraum steht ein Becher Kaffee, daneben ein Teller mit einem angebissenen Brot mit Leberwurst: Dicks Abendessen. Über dem Waschbecken thront die Schöne mit den versilberten Brüsten auf dem Kotflügel des Sportwagens. Diese Frau hat wirklich einmal in die Kamera gelächelt, als ginge es um ihr nacktes Leben. Es ist paradox. Die Zeit ist hier stehengeblieben, zweifellos, aber es kommt ihm vor, als wäre er das letzte Mal vor vielen Jahren hiergewesen.
    An der Seite des Metallregals hängt seine alte Arbeitsjacke. Er nimmt sie vom Haken. Auf dem Rücken ist groß und bunt das DicksZapfhahn -Logo aufgenäht, vorn auf der Klappe der Brusttasche, aus der ein Kugelschreiber hervorschaut, ist sein Namensschild gestickt: van Steen . Die Jacke nimmt er mit für die Arbeit am Haus und im Garten. Vielleicht sollte Hinrich ihm für die Fischbude ein witziges Logo entwerfen, einen freundlichen Rotbarsch im weißen Kittel, mit Kochlöffel unter der Flosse oder eine Makrele, die vergnügt aus der Pfanne springt.
    Er nimmt die Jacke, dreht Dick die Zeitung um einhundertachtzig Grad, schließt sorgfältig ab, stellt die rote Wasserkanne auf das Dach des Golf und geht zur Kreuzung zurück. Ehe er die Uhr schließt, betrachtet er sie. Die Ringe haben sich unter dem Zeitstillstand ohne Zweifel gegeneinander bewegt. Aber das ist nicht neu. Wieviele Grade es sind, ist schwer zu entscheiden. Die alte Aufnahme ist bei Schwammheimer. Er horcht an der Uhr. Nichts ist zu hören, aber sie muss zur

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