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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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Wange, hebt sie auf die Kante des Tresens, legt ihren einen Arm um die Zapfhähne, den anderen hinter die Glasvitrine mit Zigarettentabak und Kondomen. So wird sie nicht wegrutschen. Dem Schönling auf Schwammheimers Thron gießt er den Rotwein in die Hutkrempe, und vom Windfang aus wirft er einen letzten Blick zurück: welch einen Hexensabbat könnte er hier hinterlassen, Getränke vertauschen, obszöne Gesten und Berührungen arrangieren, Unfrieden stiften oder aufflammende Liebesglut. Aber nichts anderes überkommt ihn als eine unwiderstehliche Sehnsucht nach Pogum, er will jetzt nichts als allein über den Deich nach Critzum gehen und zu Merreth ins Bett schlüpfen. Ohne ein Wort. So verläßt er das Crocodile und huscht durch die ohnmächtige Stadt in die Adolfstraße zurück.
    Der Freund steht brav vor der Wohnung. Fokko schließt die Uhr und fragt: »Wie spät?«
    »Hab ich dir justament gesagt«, brummt Hinrich. »Halb zwölf.«
    »Dabei bleibt es erst einmal«, flüstert Fokko, öffnet die Zauberuhr und legt sie wieder auf die Treppe. Jetzt hat er alle Zeit der Welt, nach den Habseligkeiten zu sehen und in Ruhe zu entscheiden, was er mitnehmen will.
    Der Schlüssel paßt, die Tür öffnet sich. Die Luft in der Wohnung ist seltsam geruchlos. In der Küche hat sich nichts verändert, das Wohnzimmer ist wie stets aus dem Möbelkatalog übernommen und fürderhin nicht betreten worden, im Bad hängt ein Hauch ihrer Wäsche und eine Spur von ihrem Duft. In seinem Zimmer indes hat sie kräftig aufgeräumt. Bücher und Platten sind komplett aus den Regalen in nagelneue Umzugskartons geräumt, Bilder von der Wand genommen und bei der Tür bereitgestellt, der Sessel ist irgendwie gedreht, so daß man das sichere Gefühl hat, er wird gleich abgeholt.
    Er wird alle seine Sachen mitnehmen und zu Hause aussortieren, mit Merreth zusammen, die Kleider, die Bücher, die Musik, den Kleinkram, den Eva schon vorbildlich in Kartons verpackt hat. Was hatte sie damit vor? Wollte sie ihm seinen Hausstand ins Rheiderland schicken? Vermutlich hat sie inzwischen überhaupt keine Ahnung mehr, wo das ist. Aber das ist nun vollkommen einerlei.
    Die Umzugskartons schleppt er Stück für Stück die Treppe hinunter und verstaut sie im Wagen. In der hintersten Ecke des Laderaums steht noch eine Kiste aus Styropor, haben die Fischhändler vergessen. Fokko öffnet sie. Fünf fette Kabeljaue glotzen ihn an und verbreiten auf der Stelle einen infernalischen Gestank. Er macht die Kiste wieder zu.
    Zum Schluß bleiben nur der Sessel, der Schreibtisch und die alte Kommode, die ist einst aus dem Rheiderland angereist, hat ihm mal ein Kollege seines Vaters vorbeigebracht, der sowieso in die Stadt mußte wegen eines Termins im Krankenhaus.
    »Jetzt geht es nach Hause«, sagt er, klopft auf das Holz und zieht eine Schublade auf. Sie ist voll mit Fotos. Er nimmt einen Stapel heraus und durchblättert ihn flüchtig. Es ist viel von Eva dabei, ihr makelloser Körper am Strand einer holländischen Insel weitestgehend entblößt oder im Schnee der Schweizer Alpen warm und züchtig verpackt, ihr skeptischer Blick hinter einer großen Sonnenbrille verborgen oder sie beide verwackelt auf den Stufen der Spanischen Treppe unter lauter Touristen, wie sie den Arm um ihn legt, als wäre es nur für den Fotografen. Diesen Moment hat es tatsächlich einmal gegeben.
    Für einen Augenblick ist Fokko unsicher, was er mit den vielen Bildern machen soll. Als eine Art moralisches Vermächtnis könnte er sie ihr allesamt ins Bett kippen, könnte eine Spur bis in seine neue alte Heimat legen, Foto für Foto aus dem fahrenden Wagen in die kalte Nacht entlassen, als könnte man auf diese Weise auch nur einen einzigen Moment vergessen. Er wird sie mitnehmen. Wird sie Merreth zeigen und dazu schöne Geschichten erzählen, bis alle Bilder besprochen und verstanden sind.
    »Wie spät?«
    Er hat die Uhr geschlossen und in die Jackentasche gesteckt.
    »Halb…«
    Hinrich läßt die Kapitänsuhr auspendeln, grinst Fokko an und wirft einen Blick auf die geöffnete Wohnungstür.
    »Du warst schon drin?«
    Fokko nickt.
    »Müssen noch drei Teile runterschleppen.«
    Der Freund schüttelt den Kopf und packt mit an. Nach einer Viertelstunde ist alles im Lastwagen verstaut. Als Fokko die Etagentür abschließen will, hört er ein Geräusch. Er geht ihm nach. Es kommt aus ihrem Schlafzimmer.
    Das kann nicht sein, denkt er und öffnet vorsichtig die Tür. Da liegt jemand im Bett und

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