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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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Netzhaut eingraviert sein wird: der kleine Schwamm.
    »Es ist etwas Wichtiges passiert!«
    »Allerdings.«
    Sie nimmt den Schlüssel von der Kommode und wiegt ihn in der Hand. In einer Sekunde wäre sie auf und davon. Aber sie denkt nicht daran.
    »Zieh dich endlich an und geh!« sagt sie, steckt den Schlüssel von innen ins Schloß und öffnet die Tür. Schwammheimer steht in Unterwäsche neben ihr und legt seine alte Hand auf ihre Schulter. Er fürchtet offenbar um seine Begehrlichkeit.
    »Fokko hat eine Uhr gefunden.«
    »Dann kann er künftig pünktlich sein.«
    »Eine alte Uhr, eine wertvolle.«
    Sie schaut ihn an wie einen schmierigen Gebrauchtwagenhändler.
    »Es ist kein materieller Wert«, erklärt er, »wenigstens nicht im engeren Sinne.«
    Sie schaut ihm in seine vom Aquavit verquollenen Augen. Er wird sie zu keiner Nachfrage provozieren. Sie streift seine Hand von ihrer Schulter, und diese Geste wird begleitet von einem kalten Windhauch, der durch ihre Wohnung streicht. Sie schließt die Tür, läßt den Schlüssel stecken.
    »Es ist eine Zauberuhr.«
    Das Lächeln, das sie ihm schenkt, trägt all die Verachtung, die sie in den zurückliegenden Minuten gespeichert hat.
    »Jakob«, sagt sie. In ihrer Stimme schwingt gegen ihren Willen etwas wie Melancholie mit, aber sie löscht sie mit einem kurzen Satz aus. »Der Zauber ist zu Ende.«
    »Ich weiß, daß es sich unwahrscheinlich anhört, wie eine alberne Entschuldigung für mein Eindringen, aber es wird unsere Liebe bestärken, Eva, und unsere Entschlossenheit wird uns dabei ebenso helfen wie Fokkos liebenswerte Naivität.«
    »Ich weiß nicht, von was für einer Uhr du redest, von welcher Stärke, aber deine Motive scheinen mir schon wohlgeordnet. Dabei hatte ich just entschieden, ab sofort auf jegliche Entschlossenheit deinerseits zu verzichten. Und auf jegliche Naivität.«
    »Sie kann die Zeit anhalten.«
    »Was? Wer?«
    »Mit Hilfe dieser Uhr kann man die Zeit anhalten, Eva.«
    »Drei Minuten!« Sie zeigt ihm drei ausgestreckte Finger, geht ins Schlafzimmer, schließt das Fenster, zieht den Vorhang vor, löscht die Lampen. Schwammheimer freilich folgt ihr auf dem Fuße und erzählt die Geschichte der Zauberuhr.
    »Ich habe es auch nicht geglaubt.«
    »Aber…?«
    »Es ist wahr.«
    »Wie soll das gehen?«
    Er beschreibt den Mechanismus der Uhr, den niemand erklären kann, schwärmt von den Möglichkeiten, ohne jedes Risiko an Geld zu kommen, zu Macht, und seine Begeisterung oder ihre spürbare Nachgiebigkeit ist an der Beule in seinen Shorts abzulesen.
    »Die Uhr ist allerdings nicht übertragbar«, sagt er.
    »Was heißt das?«
    »Es funktioniert nur bei Fokko.«
    »Nur bei Fokko.«
    Sie schaut ihn an, sieht wohl nicht mehr sein wirres Haar, nicht die schiefe Brille und den kratzigen Hautausschlag, sondern etwas anderes, das ihre Bewegungen nun weich macht. Selbstvergessen montiert sie sich das Cap vom Kopf, windet sich aus dem Poloshirt und steigt aus den Lederjeans, tastet nach seiner Überzeugungskraft und gibt ihm einen Kuss auf die alten Lippen.
    »Sei mir nicht böse, Schwammerl, ich war nur so bittermüde.«

Kapitel 5
     
    Fokko erwacht in eine vollkommene Finsternis, glaubt zunächst, von einem Traum in den nächsten gesunken, aus abrupt bewegten Sequenzen in das schwarze Nichts geglitten zu sein, das am Ende aller Bilder wartet. Oder gar, so tief war sein Schlaf, von einem Leben in ein weiteres, und die Nacht war nichts anderes als der Tod. Die Erinnerung indes, mag sie noch so diffus sein, beweist mit der Kontinuität die Einheit unseres Bewußtseins, auch wenn sie porös ist. Fokko spürt konkreten Szenen aus dem nächtlichen Panoptikum nach, läuft abermals unablässig auf eine blitzende und springende Brandung zu, ohne nur einen einzigen Schritt näher zu kommen, sieht sich mit merkwürdig weiten Hosen verkleidet ein blindes Kind in den Armen wiegen und begreift, es sind die unsichtbaren Fotografien an den Wänden, die ihn in der Nacht in ihre Geschichten gezogen, seine Träume bestimmt haben, sie leben noch in diesem Moment ihre, als hätten sie sich seit dem vergangene Abend nicht verändert. Aber das wird wieder nur eine Täuschung sein, die uns unsere kümmerliche Wahrnehmung schenkt.
    Er öffnet die Augen. Die Finsternis bleibt unverändert, aber es kommt etwas spürbar zum Stillstand, als wenn es den Atem anhielte oder den Blick abwendete, und als er nach der Nachttischlampe tastet und Licht macht, ist dieser lebendige Geist der

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