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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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das war ihm nun schon lästig. Er ging noch einmal bei dem Süßigkeitenladen vorbei und trank eine zweite Dose Oolong-Tee.
    »War Frau Azuma zu Hause?«, fragte ihn der Mann hinter der Theke.
    »Ja. Sie war gerade sehr beschäftigt. Wissen Sie übrigens, ob sie nicht am vergangenen Mittwoch das Haus für längere Zeit verlassen hat?«
    »Am Mittwoch?«, gab der Kioskmann zurück, und Imai meinte einen Anflug von Misstrauen in seinen Augen aufglimmen zu sehen. Er hielt ihm seinen Dienstausweis hin.
    »Es geht um Folgendes: Frau Azuma arbeitet in derselben Fabrik wie die Ehefrau des Mordopfers, das letzte Woche zerstückelt aufgefunden wurde.«
    »Ach, die Geschichte!« Sofort leuchteten die Augen des Kioskmanns. »Eine schlimme Sache, wirklich, ich habe schon davon gehört. Auch, dass die Frau des Opfers hier in der Lunchpaket-Fabrik arbeitet!«
    »Und was war nun am Mittwoch mit Frau Azuma?«
    »Ach, die arme Frau ist doch ans Haus gefesselt!«, antwortete der Mann, hörbar neugierig, warum die Polizei sich nach Yoshië erkundigte, aber Imai verließ den Laden, ohne noch weiter etwas zu sagen. Seine Bemühungen kamen ihm mehr und mehr vergeblich vor.

    Unterwegs aß er bei einem Chinesen vor dem Higashi-Yamato-Bahnhof noch ein kaltes Nudelgericht, und als er schließlich Kunikos Wohnung erreichte, war der Nachmittag schon fast vorbei. Er drückte auf den Klingelknopf der Gegensprechanlage, aber es meldete sich niemand. Er läutete noch ein paar Mal – es tat sich nichts. Als er gerade aufgegeben und sich schon umgedreht hatte, um zu gehen, hörte er, wie innen der Hörer abgenommen wurde und sich eine unfreundliche Frauenstimme meldete:
    »Ja, wer ist da?«
    Imai nannte seinen Namen. Sofort ging die Tür auf, und Kunikos mürrisches Gesicht erschien. Man sah mit einem Blick, dass sie geschlafen hatte.
    »Verzeihen Sie bitte, ich störe offenbar gerade.«
    Kuniko wich seinem Blick aus und schaute zu Boden, als sei sie erschrocken über seinen plötzlichen Besuch.
    Imais Interesse war wieder geweckt, und er sah sich neugierig in ihrer Wohnung um. »Schlafen Sie immer um diese Zeit?«
    »Ja, ich arbeite schließlich die ganze Nacht.«
    »Ihr Mann ist noch bei der Arbeit, nehme ich an?«
    »Äh, nun ja...«, murmelte Kuniko ausweichend.
    »Wo ist er denn beschäftigt?«, fasste Imai rasch nach, um den Augenblick zu nutzen, ehe sein Gegenüber sich besinnen konnte. Auf diese Weise kam man meist schnell der Wahrheit auf die Spur.
    »Er hat gekündigt, um ehrlich zu sein. Und er wohnt auch nicht mehr hier.«
    »Ach, Sie leben getrennt?« Sein Polizisteninstinkt begann zu arbeiten. Aber er dachte längst nicht daran, dass hier irgendeine Verbindung zu Yayoi bestehen könnte. »Darf ich fragen, warum?«
    »Warum, warum! Es lief halt nicht mehr, darum!« Kuniko griff nach ihrer Handtasche und kramte eine Packung Zigaretten heraus, wobei ihre offenkundig nicht von einem BH gehaltenen Hängebrüste unter dem T-Shirt hin- und herwallten. Imai spähte in das hintere Zimmer und sah ein zerwühltes Bett. Mit einer solchen Frau zusammenzuleben muss einen ja fertig machen, dachte er und beobachtete mit den Augen eines Mannes, wie sich Kuniko eine Zigarette in den Mundwinkel steckte und daran zog.
    »Ich habe gehört, dass Sie sich mit Frau Yamamoto gut verstehen, deshalb wollte ich Ihnen ein paar Fragen stellen.«

    »So gut verstehen wir uns auch wieder nicht«, sagte Kuniko, ohne ihn dabei anzusehen.
    »Ach so? Aber ich dachte, sie arbeiten immer zu viert zusammen, so habe ich das jedenfalls in der Fabrik verstanden.«
    »Ja, in der Fabrik. Aber sie ist etwas hochnäsig, wissen Sie, bildet sich Wunder was auf ihr hübsches Frätzchen ein – nein, so dick sind wir gar nicht miteinander.«
    »Aha.« Imai bemerkte die Boshaftigkeit, die in Kunikos Herzen lauerte. Hatte sie denn kein bisschen Mitleid mit Yayoi? Wo sie doch die Frau des Mordopfers war und sich gerade in solch einer für alle Welt sichtbaren, bedauernswerten Lage befand?
    Wieso bestanden sowohl Yoshië als auch Kuniko so vehement darauf, gar kein so gutes Verhältnis zu Yayoi zu haben? Das kam ihm seltsam vor und nährte in ihm einen Rest Zweifel. Nach allem, was er in der Fabrik erfahren hatte, hingen die vier ständig zusammen – bei der Arbeit sowieso, aber auch danach setzten sie sich für gewöhnlich noch auf einen Tee und ein Schwätzchen zusammen, ehe sie nach Hause fuhren. Seiner bisherigen Erfahrung nach würde doch die Reaktion der Kolleginnen in einem

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