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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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solchen Fall normalerweise voll überschwänglichen Mitgefühls sein.
    »Dann haben Sie also außerhalb der Arbeit nicht viel mit Frau Yamamoto zu tun?«
    »Nein, praktisch nichts«, sagte Kuniko kaltschnäuzig, stand auf, ging zum Kühlschrank und goss Wasser aus einer Mineralwasserflasche in ein Glas. »Möchten Sie auch? Es ist allerdings nur Leitungswasser.«
    »Nein, danke.«
    Imai hatte schnell einen Blick in den Kühlschrank geworfen, als Kuniko die Tür aufgemacht hatte. Er war vollkommen leer, wie in einem Junggesellenhaushalt. Keine Lebensmittel, keine Essensreste, nicht einmal eine Flasche Saft. Wird denn hier nicht gekocht?, dachte Imai verwundert. Da fiel ihm auch auf, dass Kunikos Kleidung und andere Habseligkeiten zwar einigermaßen teuer aussahen, aber zum Beispiel nirgendwo eine CD oder ein Buch zu entdecken war, und dass über der ganzen Wohnung eine gewisse Ärmlichkeit lag.
    »Kochen Sie nicht?«, fragte Imai mit Blick auf die leeren Lunchpaketschalen, die sich in einer Zimmerecke stapelten.

    »Nein, bewahre, ich hasse das!«, platzte Kuniko heraus und verzog das Gesicht, doch schon eine Sekunde später schien sie sich dafür zu schämen.
    Aufgeplusterte Pute, dachte Imai. »Ach so, ja dann. Um auf die Ermittlungen bezüglich des Mordfalls zurückzukommen, Frau Jōnouchi: Sie sind Mittwochnacht nicht zur Arbeit erschienen, darf ich fragen, warum nicht?«
    »Mittwoch?« Kuniko fuhr sich wie vor Schreck mit der dicken, aufgeschwemmten Hand an die Brust.
    »Ja. In der Nacht davor, also Dienstag spätabends, ist der Ehemann von Frau Yamamoto spurlos verschwunden und wurde am Freitag zerstückelt aufgefunden. Sie, Frau Jōnouchi, haben Mittwochnacht in der Fabrik gefehlt. Ich muss Sie also routinemäßig nach dem Grund dafür fragen.«
    Kuniko rang um Fassung. »Mir wird schlecht gewesen sein. Ja, ich hatte es am Magen, und da war es mir zu viel, zur Arbeit zu gehen.«
    Nachdem er eine Pause gelassen hatte, um auszuschließen, dass sie es sich doch noch anders überlegte, fuhr Imai fort: »Hat Frau Yamamoto nicht vielleicht ein Verhältnis mit einem anderen Mann?«
    »Tja.« Kuniko zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, ich glaube nicht.«
    »Und Frau Katori?«
    »Frau Katori!« Mit diesem Namen schien sie nicht im Entferntesten gerechnet zu haben, denn ihre Stimme überschlug sich.
    »Ja, Masako Katori.«
    »Als ob die einen Liebhaber hätte – vor der kann man sich doch nur fürchten!«
    »Fürchten? Wie meinen Sie das?«
    »Na ja, also...« Kuniko verstummte, als fiele ihr kein besseres Wort dafür ein, woraus Imai schloss, dass sie es so und nicht anders gemeint hatte. Schweigend wartete er ab. Aber inwiefern und warum sollte man sich vor Masako fürchten müssen? Verwundert neigte Imai den Kopf zur Seite.
    »Ich mache es jedenfalls nicht mehr lange in dieser Fabrik, ich glaube, ich kündige. Dieser Mordfall, die zerstückelte Leiche und alles – da kriegt man ja Angst, selbst vom Unglück verfolgt
zu werden!« Kuniko brachte das Gespräch auf ein anderes Thema.
    Imai nickte. »Tja, das kann ich verstehen. Dann sind Sie wohl auf der Suche nach einer neuen Stelle?«
    »Ja, aber diesmal möchte ich unbedingt tagsüber arbeiten, und nicht mehr an so einem unheimlichen Ort, wo auch noch immer dieser Grabscher auftaucht. Das ist doch alles viel zu gefährlich, finden Sie nicht?«
    »Ein Grabscher?« Das war Imai neu. Er schlug sein Notizbuch auf. »Und der hat in der Fabrik sein Unwesen getrieben, sagen Sie?«
    »Bitte, hören Sie auf! ›Sein Unwesen getrieben‹, das klingt ja so nach Gespenst!« Kuniko schien sich wieder ganz in ihrem Element zu fühlen, seit sie über ein anderes Thema redeten.
    »Ich glaube zwar nicht, dass das irgendetwas mit dem Mordfall zu tun hat, aber erzählen Sie mir mal genauer, was Sie von der Sache wissen.«
    Und Kuniko begann, in aller Ausführlichkeit von dem Grabscher zu berichten, der ungefähr seit April des Jahres in Erscheinung getreten war. Während er sich Notizen dazu machte, dachte Imai über die Beschwerlichkeiten von Nachtarbeit für Frauen nach.
     
    Als er aus Kunikos Wohnblock nach draußen trat, brannten sich die langen Strahlen der Nachmittagssonne unerbittlich in den Betonbelag des Parkplatzes. Angesichts der bevorstehenden Anstrengung, in dieser Affenhitze zur Bushaltestelle laufen und dort auch noch auf den Bus warten zu müssen, stieß Imai einen langen Seufzer aus. Beiläufig glitt sein Blick über die vielen Autos in allen möglichen Farben,

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