Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Kunimatsu ihm, anders als die Hostessen, treu ergeben blieb, war, dass er außer dem Spielsalon nicht wusste, wohin.
»Jammerschade um das ›Mika‹, wirklich. Es war womöglich der erfolgreichste Laden in ganz Kabuki-chō.«
»Tja, damit ist es jetzt vorbei, und zwar ein für alle Mal.«
Satake hatte zwar aus dem Gefängnis heraus angeordnet, das »Mika« unter dem Vorwand von Sommerferien nur vorübergehend zu schließen, doch daraufhin waren fast alle seine Angestellten – größtenteils Chinesinnen, die sich nur mit einem Studienvisum in Japan aufhielten – über Nacht verschwunden, da sie Ärger mit der Polizei fürchteten.
Lì-huá, die Mama-san, wurde verdächtigt, Verbindungen zur taiwanesischen Mafia zu haben, und hatte sich einstweilen nach
Taiwan abgesetzt. Von Chén, dem Manager, fehlte jede Spur; vermutlich hatte er sich ein anderes Etablissement gesucht. Anna war, wie er gehört hatte, von dem Laden angeworben worden, der immer schon ein Auge auf sie geworfen hatte, und die anderen Hostessen waren entweder in ihre Heimatländer zurückgekehrt, sofern sie Schwierigkeiten mit ihrem Visum befürchteten, oder wie Anna zur Konkurrenz übergewechselt.
Das war in Kabuki-chō kaum anders zu erwarten. Bei Erfolg kamen sie in Schwärmen, wie die Bienen, die auf die prächtigsten Blüten fliegen, und bei den kleinsten Anzeichen von Problemen verließen sie wie die Ratten das sinkende Schiff. Doch Satake ahnte, dass das Bekanntwerden seiner Vergangenheit diesen Prozess wohl noch zusätzlich beschleunigt hatte.
»Aber Sie werden doch wieder neu anfangen, Satake-san, nicht wahr?«
Satake sah zur Zimmerdecke auf. Dort hing noch der Kronleuchter, den er selbst ausgesucht und bezahlt hatte, nur das Licht war nicht eingeschaltet.
»Wollen Sie etwa aufgeben! Wird es denn kein ›New Mika‹ geben?« Kunimatsu schaute auf seine talkumverschmierten weißen Hände herab.
»Ich höre auf«, sagte Satake. »Ich habe mich entschlossen, alles zu verkaufen.«
Kunimatsu blickte auf und sah Satake erstaunt an. »Aber warum, das ist doch viel zu schade!«
»Weil ich etwas anderes vorhabe.«
»Was denn? Ich helfe Ihnen, egal, wobei.« Kunimatsu rieb die langen Finger aneinander, damit das Pulver auf die Steine herabfiel. Ohne zu antworten, massierte sich Satake mit der Hand den Nacken. Seit den schlaflosen Nächten in Untersuchungshaft hatte er einen verspannten Nacken, der einfach nicht besser werden wollte. Wenn er nicht aufpasste, könnte sich das schnell zu einer quälenden Migräne entwickeln.
Kunimatsu wurde ungeduldig. »Was haben Sie denn vor?«, fragte er noch einmal.
»Ich werde den Mörder von Yamamoto suchen.«
Kunimatsu hielt das offenbar für einen Scherz, denn er grinste: »Gute Idee, ein bisschen Sherlock Holmes spielen, was?«
»Ich meine es ernst, Kunimatsu«, erwiderte Satake, während er sich immer noch den Nacken knetete.
Kunimatsu legte den Kopf schief. »Aber was wollen Sie denn dann mit dem Mörder, wenn Sie ihn erst einmal haben?«
»Tja, mal sehen«, murmelte Satake. In Wahrheit wusste er die Antwort schon, aber das wollte er natürlich nicht sagen. »Werd ich mir überlegen, wenn’s so weit ist.«
»Wenn das mal gut geht. Haben Sie denn schon einen bestimmten Verdacht?« Kunimatsu schien die Sache unheimlich zu werden. Er musterte Satake von oben bis unten.
»Ja, in erster Linie seine Frau.«
»Wie bitte...?« Für Kunimatsu schien das ganz und gar undenkbar zu sein. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
»Aber reden Sie mit niemandem darüber, Kunimatsu, klar?«
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Kunimatsu und wandte hastig die Augen von Satake ab, so als hätte er zum ersten Mal einen Blick auf die Finsternis in dessen Seele erhascht.
Satake verabschiedete sich von Kunimatsu und trat auf die Kuyakusho-Straße hinaus. Am Tag war die Hitze immer noch unerträglich, aber gegen Abend wehte jetzt schon ein frischer Wind. Satake atmete auf und ging auf ein nagelneues Gebäude – eine billige Stahl-Glas-Konstruktion – zu, das nicht sehr weit vom »Mika« entfernt lag. Die vielen bunten Schilder deuteten auf einen Haufen kleinerer Nachtclubs hin, die sich hier angesiedelt hatten. Satake sah nach, in welchem Stock das »Mato« lag, in das er wollte, und stieg in den Fahrstuhl. Als er die schwarze Tür zum »Mato« aufdrückte, empfing ihn sogleich ein Manager im schwarzen Anzug: »Willkommen, treten Sie ein!«
Der Manager sah Satake an und bekam große Augen. Es war
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