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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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Woche hatte ich den höchsten Umsatz von allen. Die Kunden aus dem ›Mika‹ sind mir treu geblieben und kommen jetzt hierher.«

    »Ach so? Na, das ist ja prima.«
    »Ja, und außerdem bin ich umgezogen.«
    »Wohin?«
    »Nach Ikebukuro.« Die genaue Adresse teilte sie ihm nicht mit. Ein unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Da plötzlich fragte Anna: »Wie konntest du das tun? Warum hast du diese Frau umgebracht?«
    Völlig überrumpelt starrte Satake in Annas blitzende Augen. »Warum, kann ich dir auch nicht sagen, das weiß ich selbst nicht.«
    »Hast du sie gehasst?«
    »Nein, damit hatte das nichts zu tun.« In der Tat hatte Satake die Frau für ihren gewieften Geschäftssinn sogar bewundert. Aber es erschien ihm zwecklos, der jungen Anna zu erklären, dass das Gefühl des Hasses gerade aus dem Bedürfnis heraus entstand, den anderen annehmen zu wollen.
    »Wie alt ist sie gewesen?«
    »Das weiß ich nicht genau. Sicher fünfunddreißig oder älter.«
    »Wie war ihr Name?«
    »Ich kann mich nicht erinnern.« Er musste ihn während des Prozesses wie oft gehört haben, aber es war ein relativ gewöhnlicher Name gewesen, und er hatte ihn einfach vergessen. Nicht ein Symbol wie ihr Name beherrschte sein Herz, sondern ihr Gesicht und ihre Stimme.
    »Du hast sie geliebt, oder? Es war doch jemand, den du schon länger gekannt hast, oder?«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich bin ihr an dem Abend zum ersten Mal begegnet.«
    »Und wieso hast du sie dann auf diese Weise umgebracht?«, fragte Anna unbarmherzig weiter. »Ich hab es von der Mama-san erfahren: Du sollst sie gequält und gequält haben, bevor du sie endlich getötet hast. Wenn du sie angeblich weder geliebt noch gehasst hast – warum dann diese Quälerei, bevor du sie ermordet hast?«
    Annas wutentbrannte Stimme ließ den Gast vom Tisch nebenan aufhorchen, und er schaute zu Satake herüber, wandte seine Augen aber aus Entsetzen vor dem Inhalt des Gesprächs, das er mitanhören musste, schnell wieder ab.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Satake ruhig. »Ich weiß wirklich nicht, warum ich das getan habe.«

    »Hast du mich deshalb so liebevoll behandelt? Stellvertretend für diese Frau?«
    »Nein, nein.«
    »Und warum gibt es dann zwei O-nii-chans in deiner Brust? Einen O-nii-chan, der eine Frau umbringt, und einen anderen O-nii-chan, der Anna verwöhnt und verhätschelt? Warum?«
    Anna war anscheinend so aufgebracht, dass sie Satake wieder O-nii-chan nannte.
    »Ich bin doch für dich nichts weiter als ein Hündchen, O-nii-chan, stimmt’s? Deshalb hast du mich so gut behandelt! Wie einen süßen kleinen Pudel aus der Tierhandlung hast du mich herausgeputzt und an die Männer verkauft! Das hat dir Spaß gemacht, nicht wahr? Ich war die Ware, mit der du gehandelt hast, die Ware Anna! Wenn ich mich gewehrt hätte, wenn ich widerspenstig gewesen wäre, hättest du mich dann umgebracht, wie diese Frau?«
    »Nein.« Satake schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie selbst an. »Du bist lieb. Diese Frau war...« Er suchte nach Worten und verstummte. Anna wartete und sah ihn dabei die ganze Zeit an. Aber es kam keine Antwort.
    »Du sagst, ich wäre lieb, aber meinen tust du damit, dass ich für dich nur lieb bin und nichts weiter, nicht wahr, O-nii-chan? Anfangs, als ich von der Sache erfahren hab, hat mir diese Frau schrecklich Leid getan, weißt du. Aber dann hab ich mir selbst auch Leid getan, O-nii-chan, und weißt du, warum? Du warst zwar manchmal wütend auf mich, wegen der Arbeit und so, aber du würdest mich nie so sehr hassen, dass du mich umbringen könntest, wie diese Frau, nicht wahr? Sie hat es geschafft, dein Herz so weit zu erobern, dass du sie hassen konntest, dass du sie sogar quälen und töten konntest, ist es nicht so, O-nii-chan? Und ich habe das nicht geschafft, ich habe es einfach nicht geschafft. Manchmal habe ich mir sogar gewünscht, du würdest mich umbringen, das wäre immerhin etwas gewesen. Aber mich hast du nur gut behandelt, an ihrer Stelle sozusagen – weil du diese Frau ermordet hast, bist du zu mir nett gewesen. Aber eben nur nett. Das ist mir zu wenig, O-nii-chan, und ich war sehr traurig, als mir das klar geworden ist. Und deshalb finde ich, dass ich mir selbst auch fürchterlich Leid tun kann. Verstehst du das, O-nii-chan?«
    Anna stiegen Tränen in die Augen. Sie liefen ihr an den geweiteten
Nasenflügeln entlang die Wangen herab und tropften zu Boden. Die Gäste und Hostessen an den

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