Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
was, Kunimatsu?«, konnte sich Satake nicht verkneifen zu sagen.
Er hatte Kunimatsu, der damals Ende zwanzig gewesen war, in einer Mah-Jongg-Höhle auf der Ginza kennen gelernt, in der er als Profispieler, Assistent und Laufbursche in einem praktisch den lieben langen Tag verbrachte. Für Satake war es faszinierend gewesen, wie Kunimatsu mit seinem auf den ersten Blick nichtssagenden Jungengesicht sich augenblicklich in einen erstklassigen Spieler verwandelte, sobald er sich an einen Mah-Jongg-Tisch setzte. So jung und schon mit allen Wassern gewaschen, hatte Satake bewundernd gedacht und als er das Kasino eröffnen wollte zuallererst Kunimatsu angesprochen.
»Na ja, mit Mah-Jongg ist heutzutage auch kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Die jungen Leute spielen ja alle am Computer!« Mit geübten Handgriffen puderte Kunimatsu die vor ihm aufgereihten Mah-Jongg-Steine mit Talkum ein. Im Raum standen sechs, offensichtlich geliehene Mah-Jongg-Tische, aber alle außer dem, an dem Kunimatsu saß, waren mit weißen Baumwolltüchern bedeckt; es sah aus wie auf einer Beerdigung.
»Mag sein.« Satake sah sich um und dachte wehmütig an das lebendige Treiben zurück, das hier noch vor kaum einem Monat geherrscht hatte: Genau hier hatte der große, reguläre Bakkarat-Tisch gestanden, und dort drüben hatten die Gäste darauf gewartet, endlich spielen zu dürfen.
»Tja, und deshalb werde ich, wie’s aussieht, auch bald arbeitslos sein.« Kunimatsu drückte den Deckel auf die Dose mit Talkumpuder. Wenn er lachte, fielen die vielen Fältchen in seinen Augenwinkeln erst richtig auf.
»Aber wieso denn?«
»Die Mah-Jongg-Höhle soll wieder zugemacht und stattdessen eine Karaoke-Bar eröffnet werden.«
»Karaoke? Kann man denn damit Geld machen?« Im »Mika« hatte es auch eine Karaoke-Anlage gegeben, aber Satake selbst mochte die Singerei nicht, er verabscheute es, sich vor aller Welt zum Affen zu machen.
»Im Moment herrscht scheinbar überall Flaute.«
»Bakkarat hat prächtige Gewinne abgeworfen.«
»Das kann man wohl sagen.« Kunimatsu machte ein bedauerndes Gesicht. Dann sah er Satake zum ersten Mal an und sagte: »Sie haben ein wenig abgenommen, nicht wahr?« In seinen Augen lag ein winziger Anflug von Furcht. Unter Satakes Angestellten und in seinem geschäftlichen Umfeld hatte sich schnell herumgesprochen, dass er wegen Mordes an einer Frau vorbestraft war und dass der Verdacht, der jetzt gegen ihn erhoben wurde, damit zusammenhing.
»Meinen Sie? Ja, mag sein. Ich konnte dort nicht schlafen.« In der Tat war Satakes Leben in Untersuchungshaft ein einziger Kampf mit der Schlaflosigkeit gewesen.
»Das kann ich mir vorstellen. Muss schrecklich gewesen sein da drinnen!«
Kunimatsu selbst war ebenfalls wegen Verdachts auf Betreiben eines Spielsalons vernommen worden, aber man hatte ihn sofort wieder gehen lassen. Danach hatte man ihn allerdings immer wieder aufs Revier bestellt, um seine Aussagen bezüglich des Mordfalls mit der zerstückelten Leiche zu Protokoll zu nehmen; er dürfte also genau mitbekommen haben, wie es um Satake bestellt war.
»Sie haben wegen mir auch eine ganze Menge über sich ergehen lassen müssen, was?«
»Ach, machen Sie sich mal keine Gedanken.« Kunimatsu spielte mit den Mah-Jongg-Steinen, indem er sie mit knappen, geschmeidigen Bewegungen auf die Rückseite drehte, zu einem Berg anordnete und dann von oben an jeden einzelnen Stein wieder aufdeckte. Satake schaute zu, wie ein Stein nach dem anderen mit einem angenehmen Schieben und Klacken offen gelegt wurde, und zündete sich dabei eine Zigarette an. In der Untersuchungshaft hatte er vollständig aufs Rauchen verzichten müssen, deshalb war es jetzt ein herrliches Gefühl, als der Rauch seine Lungen füllte. Satake, der sich sonst kein Genussmittel gönnte, nahm noch einen tiefen Zug.
»Aber dass dieser Yamamoto zerstückelt worden ist, hat mich schon ziemlich überrascht, muss ich sagen.« Kunimatsu schaute flüchtig zu Satake herüber.
»Ein Pechvogel bleibt eben ein Pechvogel, egal, was er anstellt.«
»Wie haben Sie ihn damals noch genannt? Hoffnungslose Bakkarat-Lusche, oder so.« Kunimatsu lachte auf.
»Ja, was für ein verdammtes Pech!«
»Für Yamamoto, meinen Sie?«
»Quatsch, für mich natürlich!«
Darauf nickte Kunimatsu zwar, aber es war schwer einzuschätzen, inwieweit er Satake noch traute. Wahrscheinlich verdächtigte er ihn im Grunde seines Herzens doch, Yamamoto umgebracht zu haben. Der einzige Grund, warum
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