Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
auf den schummrigen Flur des Gebäudes, wo er sich vor ihm aufbaute: »Dem Vernehmen nach haben Sie hier gestern Kredit verlangt. Da wir grundsätzlich kein Geld verleihen, möchte ich Sie bitten, sich Ihr Geld zum Spielen woanders zu beschaffen, wenn Sie keines besitzen, und erst dann wieder herzukommen.«
»Ohoho, soll das etwa guter Service sein! Unverschämt!« Yamamoto schaute trotzig drein wie ein Kind und schmollte.
»Genau das ist guter Service. Und noch eins: Unterlassen Sie es in Zukunft, Anna nachzustellen. Sie ist noch jung und fürchtet sich leicht.«
»Woher nehmen Sie das Recht, so mit mir zu reden!« Gekränkt verzerrte sich Yamamotos Gesicht. »Ich bin schließlich Ihr Kunde! Wissen Sie eigentlich, wie viel Geld ich bei Ihnen gelassen habe!«
»Ja, und ich danke Ihnen. Aber hören Sie auf, Anna zu belästigen. Außerhalb der Bar sind die Frauen tabu.«
»Was soll das denn heißen?« Yamamoto grunzte verächtlich. »Dass ich nicht lache! Das sind doch sowieso alles Huren!«
Satake verlor die Beherrschung und wurde deutlich: »Du wirst sie nie in die Finger bekommen, Freundchen, ist das klar? Und jetzt hau ab, und lass dich nie wieder blicken – hast du das endlich kapiert, oder bist du zu blöd dazu?«
»Wie redest du mit mir, du Scheißkerl!« Plötzlich schlug Yamamoto zu. Satake fing den Schlag mit seinem massigen linken Arm ab und packte Yamamoto beim Kragen. Dann rammte er ihm das Knie zwischen die Beine und drückte ihn an die Wand. Unfähig sich zu regen, hing Yamamoto da wie aufgespießt und schnappte nach Luft.
»Verschwinde endlich, oder muss ich dir erst Beine machen!« Eine Gruppe Firmenangestellter kam die Treppe herauf. Sie sahen die beiden und verzogen sich ängstlich ins »Parco«. Satake lockerte seinen Griff. Es wäre schädlich fürs Geschäft, wenn durch so etwas auch noch das abstruse Gerücht entstünde, das Kasino würde von einer gewalttätigen Organisation betrieben.
Dieser kleine Moment der Unaufmerksamkeit genügte. Yamamoto holte zu einem Verzweiflungsschlag aus und traf ihn mit der Faust am Kinn. Satake stöhnte vor Schmerz auf.
»Jetzt reicht’s, du Würstchen, dir werd ich’s zeigen!« Rasend vor Wut, versetzte Satake ihm mit dem Ellbogen einen unbarmherzigen Hieb in die Magengrube und trat den zusammengesunkenen Yamamoto seitwärts die Treppe hinunter. Das Blut brauste ihm noch in den Ohren, als er zusah, wie sich dieser überschlug und mit dem Hintern auf dem Treppenabsatz aufkam, und für einen Augenblick kostete er noch einmal das erfrischende Gefühl aus, das er aus seiner Jugend kannte, als er sich von einer Prügelei in die nächste gestürzt hatte. Doch es dauerte nur ein paar Sekunden, da hatte er sich wieder im Griff und drängte die Emotionen hinter den Panzer aus umsichtiger Selbstkontrolle zurück.
»Wenn ich dich noch einmal hier sehe, bring ich dich um, du dämlicher Hund!«
Satake wusste nicht, ob Yamamoto seine messerscharfe Drohung noch mitbekommen hatte, denn der saß nur benommen da und fuhr sich über seinen blutenden Mundwinkel. Genau in dem Moment kamen zwei junge Frauen die Treppe herauf, kreischten und rannten wieder hinunter. Satakes einziger Gedanke galt dem Ärgernis, dass er bedauerlicherweise die Mädchen verschreckt hatte, und er strich sich seelenruhig den Anzug glatt. Er konnte natürlich nicht ahnen, welches Schicksal Yamamoto an diesem Abend noch ereilen sollte.
5
Es war Hass. Purer Hass – das war es, was sie fühlte, als Yayoi Yamamoto ihren nackten, vierunddreißigjährigen Körper in dem großen Spiegel betrachtete. In der Mitte, etwa im Bereich der Magengrube setzte sich deutlich das runde, blauschwarze Mal von ihrem weißen Leib ab. Dort hatte
sie in der vergangenen Nacht die Faust ihres Mannes Kenji getroffen.
Mit diesem Schlag hatte das Gefühl in ihrem Inneren Gestalt angenommen. Nein, es war vorher schon da gewesen.Yayoi schüttelte immer wieder den Kopf, und die nackte Frau im Spiegel tat es ihr gleich. Es war vorher schon da gewesen. Sie hatte ihm nur noch keinen Namen geben können.
Sobald es diesen Namen hatte, breitete es sich aus wie eine dunkle Regenwolke und eroberte im Nu Yayois Herz. Dort gab es nun nichts mehr als puren Hass.
»Das verzeihe ich ihm nicht, niemals!« Kaum hatte sie diesen Satz über die Lippen gebracht, konnte sie den Tränen freien Lauf lassen. Sie stürzten ihr aus den Augen, benetzten ihre Wangen und rannen das Tal zwischen ihren kleinen, aber wohlgeformten Brüsten hinab.
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