Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
darunter auch zahlreiche Frauen. Die Atmosphäre war elegant und nicht mit dem Hinterzimmer einer Spelunke zu vergleichen, trotzdem war Satake bewusst, dass mehr als die Hälfte seiner Gäste spielsüchtig oder schon geschäftsunfähig waren – armselige Kreaturen. Sie sollten sich nur nicht gerade in seinem Laden vollends zugrunde richten.
»Der da drüben. Heute hat er schon wieder gut und gerne zehntausend verloren«, flüsterte Kunimatsu ihm zu und deutete auf einen Mann, der, mit der Wange in die Hand gestützt, am Kopf eines der beiden Mini-Bakkarat-Tische saß, Whiskey-Soda trank und den anderen Gästen beim Setzen zusah. Satake blieb in seiner Ecke stehen und beobachtete Yamamoto eine Weile unauffällig.
Er schätzte ihn auf Mitte dreißig. Weißes, kurzärmliges Hemd, schlichte Krawatte, graue Hose. Ein Nullachtfünfzehn-Gesicht ohne jede Besonderheit, eine vollkommen nichts sagende Erscheinung. Man ging an ihm vorüber und könnte ihn schon eine Sekunde später nicht mehr von den anderen Angestellten unterscheiden.
Dieser Niemand war also hinter Anna her, seiner Anna, die, erst dreiundzwanzig Jahre alt, unter den ausgesuchten Schönheiten des »Mika« mit Abstand die Schönste, die absolute Nummer eins war. Wie sie gesagt hatte: Jedes Vergnügen hatte seine Spielregeln, die eingehalten werden mussten, das war nicht anders als hier beim Bakkarat. Satake, der sich jederzeit eisern unter Kontrolle hielt, brauchte einen Gast wie Yamamoto nur anzusehen, um wütend zu werden.
Das Spiel an Yamamotos Tisch näherte sich dem Ende. Noch ein, zwei Runden, und alle Karten waren ausgegeben. Entschlossen setzte Yamamoto die wenigen Chips, die er noch übrig hatte,
allesamt auf Spieler. Die anderen Gäste sahen das und setzten ausnahmslos auf die Bank. Sie hatten seine Pechsträhne längst bemerkt und wollten sich nicht anstecken lassen. Geübt und mit unbewegter Miene verteilte der Croupier die Karten.
Die Spieler-Seite bekam zwei Bildkarten, also null Punkte – Bakkarat. So ein Pechvogel, dachte Satake. Die Bank erhielt drei Punkte. Beide Seiten mussten eine dritte Karte ziehen. Nachdem Yamamoto die an ihn ausgegebene Karte vorschriftsmäßig an zwei Ecken angehoben hatte, um sie zu sehen, schmiss er sie resigniert vor sich auf den Tisch. Eine Bildkarte. Auf den Gesichtern derer, die auf die Bank gesetzt hatten, erschien ein erleichtertes Lächeln. Sie hatten eine Vier. Null gegen sieben – die Bank hatte haushoch gewonnen. Es war der letzte Durchgang gewesen, und das Glück hatte Yamamoto vollends im Stich gelassen.
»Nun sieh sich einer diese hoffnungslose Bakkarat-Lusche an«, murmelte Satake vor sich hin, und Kunimatsu, der neben ihm stand, lachte verstohlen auf. An Yamamotos Tisch wechselte der Croupier; eine junge Frau übernahm die Spielleitung. Auch einige Gäste standen auf, und neue nahmen ihre Plätze ein, doch Yamamoto blieb verstockt sitzen, obwohl er gar keine Chips mehr hatte. Eine Frau, die hinter ihm gewartet hatte und nach einer Dame aus dem Rotlichtmilieu aussah, warf Kunimatsu Hilfe suchend einen klagenden Blick zu. Jetzt ist er reif, sagte sich Satake, gab Kunimatsu einen Wink und ging auf Yamamoto zu.
»Verzeihen Sie, mein Herr...«
»Was denn!« Überrascht sah Yamamoto Satake an, musterte seine stämmige Erscheinung, das freundliche Gesicht, die unverwechselbare Kleidung, die Ärger verhieß. Aber es änderte nichts an seiner achtlos störrischen Miene. Wahrscheinlich waren seine Sinne bereits völlig abgestumpft.
»Ich darf Sie höflich bitten, Ihren Platz freundlicherweise der Dame hier zu überlassen, wenn Sie nicht weiterspielen.«
»Wieso?!«
»Weil sie gewartet hat, bis sie an der Reihe ist.«
»Sie kann doch stehen bleiben und zuschauen!«
Yamamoto war betrunken. Er schien sich überreichlich an dem Whiskey-Soda bedient zu haben, der im Kasino kostenlos gereicht wurde. Auf dem Tisch vor ihm lag Zigarettenasche verstreut.
Satake rief den jungen stellvertretenden Manager zu sich, damit er die Spielplatte säuberte, und sagte leise zu Yamamoto: »Verzeihen Sie, aber würden Sie mir bitte folgen, ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen.«
»Das können Sie doch auch hier!«
Die anderen Gäste am Tisch sahen Yamamoto entgeistert an. Einigen unter ihnen flößte Satakes Erscheinung offensichtlich Angst ein, denn sie hielten stumm den Kopf gesenkt.
»Nein. Bitte folgen Sie mir.«
Satake führte den demonstrativ widerspenstigen, empört fluchenden Yamamoto aus dem Kasino hinaus
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