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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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entsorgen zu dürfen! Sie warf den schwarzen Sack einfach über das Mäuerchen auf den sauber gefegten Platz. Das Plastik riss an der Seite ein wenig auf, und durch den Spalt konnte man die milchigen, durchscheinenden Beutel darin erkennen, aber Kuniko warf den Kopf herum, um nicht hinsehen zu
müssen, und wollte sich gerade wieder davonmachen, als sie eine männliche Stimme hinter sich hörte und erschrocken stehen blieb.
    »Einen Moment mal!«
    Vor dem Müllsammelplatz war urplötzlich ein braun gebrannter älterer Mann in Arbeitskleidung aufgetaucht, dem der Zorn im Gesicht geschrieben stand. »Wohnen Sie etwa hier?«
    »Ehm …«
    »Das geht doch nicht, was Sie da machen!« Der Alte hob den Plastiksack, den Kuniko gerade weggeschmissen hatte, mühelos hoch und hielt ihn ihr vor die Nase. Dann deutete er mit der anderen Hand und einer Miene, als wolle er sagen: »Ätsch, hab ich dich erwischt!«, auf das Feld: »Unverschämte Leute wie Sie tauchen hier oft genug auf, deshalb behalte ich den Platz von dort aus im Auge!«
    »Tschuldigung.« Kuniko, die es nicht ertragen konnte, wenn man sie beschimpfte, nahm den Sack, den der Mann ihr hinhielt, und machte sich schleunigst davon. Als sie bei ihrem Auto angekommen war, warf sie das schwarze Ungetüm ohne zu zögern in den Kofferraum und ließ hektisch den Motor an. Ein ängstlicher Blick in den Rückspiegel verriet ihr, dass der Alte sie immer noch von weitem beobachtete. Überstürzt fuhr sie los.
    »Blöder alter Sack, soll dich doch der Teufel holen!«, fluchte sie in den Rückspiegel hinein und trat aufs Gas, ohne zu wissen, wo sie überhaupt hinwollte. Als sie eine Weile gefahren war, wurde ihr bewusst, wie schwierig es sein würde, die verfluchten Müllbeutel unbemerkt wegzuwerfen, und ihre Stimmung verfinsterte sich empfindlich. Auf was hatte sie sich da nur eingelassen! Ganze fünfzehn Beutel hatte Masako ihr aufs Auge gedrückt! Allein schon das Gewicht! Sie konnte unmöglich damit herumspazieren, das würde auffallen. Aber sie wollte sie unbedingt so schnell wie möglich loswerden. Kuniko überlegte hin und her, hielt sich krampfhaft am Lenkrad fest und ließ ihre Blicke nervös umherschweifen. Die Ungeduld verleitete sie zu unkonzentriertem Fahren; mehrfach blieb sie vor grünen Ampeln stehen und wurde von hinten angehupt.
    Sie kam wieder an dem städtischen Wohngebiet mit den kleinen Einfamilienhäusern vorbei, durch das sie am Morgen schon gefahren war. Ihr Blick fiel auf junge Mütter, die ihre Kinder auf
einem armseligen Spielplatz spielen ließen. Gerade warf eine von ihnen eine leere Bonbontüte in den Abfalleimer neben der Bank. Plötzlich hatte Kuniko eine fabelhafte Idee: Sie konnte das Zeug in einem Park wegschmeißen! Dort gab es überall Abfalleimer, und so viele Leute würden da auch nicht herumlaufen, niemand würde etwas bemerken. Genau, ein Park war die Lösung, am besten ein großer, öffentlicher, zu dem man jederzeit freien Zutritt hatte.
    Begeistert von ihrem Geistesblitz, erhellte sich Kunikos Laune wieder, und ein Lied summend, fuhr sie weiter, den Blick stur nach vorne gerichtet.
     
    Mit den Leuten von der Fabrik war sie einmal zur Kirschblüte im Koganei-Park gewesen. War das nicht überhaupt der größte Park von Tōkyō? Wenn sie dort den grässlichen Müll wegwerfen ginge, würde es wohl kaum herauskommen.
    Kuniko parkte ihren Wagen am Flussufer des Shakujiigawa hinter dem Park. Nachmittags, an einem normalen Werktag, hielt sich dort glücklicherweise gerade niemand auf. Kuniko fielen die Gummihandschuhe wieder ein, die sie von Masako bekommen hatte. Sie zog sie an und nahm den schwarzen Plastiksack mit den Leichenteilen aus dem Kofferraum. Dann ging sie damit zum Hintereingang der Anlage. In dem naturbelassenen Park wuchs dichter Wald mit Gehölz und hohen Bäumen; das ganze junge Grünzeug erstickte einen fast mit seinen Ausdünstungen. Sie hatte sich vom Weg entfernt und schlug sich durch das vom Regen feuchte Unterholz, wobei ihre weißen Halbschuhe pitschnass wurden. Es war heiß, und ihre Hände in den Gummihandschuhen schwitzten. Dieses ekelhafte Gefühl und das Gewicht des Plastiksacks brachten sie zum Keuchen. Gab es denn hier nicht endlich mal einen Platz, wo sie die Müllbeutel unbemerkt loswurde? Das war alles, woran sie denken konnte. Aber in diesem Dickicht war kein einziger Abfalleimer zu finden.
    Das Gehölz lichtete sich, und vor ihren Augen öffnete sich eine große Wiese. Es hatte eben erst aufgehört zu

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