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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natsuo Kirino
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verstummte Kuniko.
    »Wenn Sie möchten, könnten wir uns vielleicht jetzt gleich einmal über Ihren weiteren Rückzahlungsplan unterhalten – was halten Sie davon?«
    Jūmonji machte Anstalten, Kunikos Wohnung zu betreten. Kuniko wurde hektisch vor Verlegenheit. Drinnen herrschte ein heilloses Durcheinander, da sie heute Morgen in ihrer Wut alles stehen und liegen gelassen hatte und kopflos aus der Wohnung gestürzt war. Einem gut aussehenden Mann wie ihm konnte sie doch dieses Chaos unmöglich zumuten!
    »Ja, aber...«
    »In der Nähe gibt es doch sicher ein Family-Restaurant. Wollen wir uns vielleicht besser dort zusammensetzen? Ich bin mit dem Auto da.«
    Kuniko beruhigte sich und wurde unvorsichtig: »Tja, einverstanden, aber könnten Sie vielleicht einen Moment warten? Ich muss nur kurz in meine Wohnung.«
    »Natürlich. Ich warte unten im Wagen auf Sie. Es ist der dunkelblaue Nissan Maxima, der auf dem Parkplatz steht.« Daraufhin entschuldigte sich Jūmonji mit einer knappen Verbeugung, begleitet von dem liebenswürdigsten Lächeln, und verschwand.
    Der dunkelblaue Maxima auf dem Parkplatz! Über den weiteren Rückzahlungsplan unterhalten! In einem Family-Restaurant zusammensetzen!
    Vor lauter Aufregung vergaß Kuniko sogar, was heute in Masakos Haus geschehen war, und lief in ihre Wohnung. Wieso hatte sie ausgerechnet heute ungeschminkt das Haus verlassen! Wieso hatte sie ausgerechnet heute diese dumme Jeans und ein uraltes T-Shirt angezogen! Sie sah ja aus wie die Meisterin!
    Und außerdem: Wie war sie bloß auf den Gedanken verfallen, bei den Männern, die Geld eintrieben, könne es sich nur um Yakuza handeln! Mit einem so jungen, gut aussehenden Mann hatte sie im Leben nicht gerechnet! Während Kuniko sich hastig Foundation auftrug, holte sie noch einmal Jūmonjis Karte hervor und las: »Verbraucherzentrum Million. Akira Jūmonji. Geschäftsführender Direktor« hieß es da.

    »Geschäftsführender Direktor« war so gut wie Chef. Kuniko wunderte sich weder darüber, dass ein Firmenchef höchstpersönlich auftauchte, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen, noch über den fragwürdigen Namen, der wie ein Künstlerpseudonym klang – sie interessierte sich nur noch für den hinreißenden jungen Mann, der sie mit seiner Erscheinung völlig geblendet hatte.

6
    Jūmonji nippte an dem dünnen, abgestandenen Kaffee des Family-Restaurants und musterte das Gesicht der ihm genau gegenübersitzenden Kuniko.
    Sie hatte ihm offenbar die Gunst erwiesen, Make-up aufzulegen, während er im Wagen auf sie warten musste – na ja, jetzt sah sie immerhin ein klein wenig erträglicher aus als im schummrigen Außenflur der öffentlichen Mietskaserne. Aber der dicke, verschmierte Lidstrich um die Augen, die ungleichmäßig aufgetragene Foundation, überhaupt das dicke Make-up betonten noch den Eindruck von einer fragwürdigen Frau undefinierbaren Alters und undurchsichtiger Persönlichkeit.
    Jūmonji, der sowieso keine Frauen über zwanzig mochte, hegte eine grundlose Abneigung gegen Kuniko. Sie kam ihm wie die Verkörperung seiner Überzeugung vor, dass Frauen mit jedem Lebensjahr verdorbener wurden.
    Noch so ein fauler Schuldner, dachte Jūmonji, während er auf die etwas vorstehenden Zähne von Kuniko starrte, die ihm gerade ihr Leid über die ach so harte Arbeit in der Lunchpaket-Fabrik klagte. Ihre Schneidezähne waren mit rosarotem Lippenstift verschmiert.
    »Ja, haben Sie denn keine Lust, tagsüber zu arbeiten, Frau Jōnouchi?«
    »Doch, aber es gibt leider nichts Passendes für mich«, antwortete Kuniko frustriert.
    »Was schwebt Ihnen denn vor?«
    »Büroarbeit wäre nicht schlecht, aber es gibt einfach keine Stellenangebote für das, was ich machen möchte.«
    »Ach, Sie müssen nur suchen, dann werden Sie schon etwas finden!« Während er sie automatisch mit den üblichen Floskeln abspeiste, dachte er: Selbst wenn es Stellen geben sollte – du würdest
nie im Leben eine bekommen. Dass Kuniko eine verantwortungslose Schlampe war, lag offen zutage wie das Innerste einer Qualle. Er war zwar erst einunddreißig Jahre auf der Welt, aber Leute wie sie hatte er zur Genüge gesehen. Sie gehörte genau zu den Typen, die Büromaterial mitgehen ließen und Privatgespräche führten, sobald man sie einen Moment aus den Augen ließ, die ständig unentschuldigt fehlten, ohne sich etwas dabei zu denken, und die ohne Skrupel unterschlugen, was das Zeug hielt, solange sie nicht erwischt wurden. Nie und nimmer würde er

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