Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
regnen, deshalb waren kaum Leute da, kein Vergleich mit dem Menschenauflauf zur Kirschblütenzeit! Zwei junge Männer, die Catchball spielten. Ein Mann, der gemütlich herumspazierte. Ein Pärchen in Badekleidung, das auf dem nassen Rasen eine silberfarbene Freizeitdecke
ausgebreitet hatte und miteinander flirtete. Eine Gruppe Hausfrauen, die ihre kleinen Kinder spielen ließen. Ein älterer Mann, der seinen großen Hund auf dem Parkweg ausführte. Das war alles, mehr Leute konnte Kuniko nicht entdecken. Der ideale Ort, dieses Zeug hier zu entsorgen. Kuniko lachte sich ins Fäustchen.
Sie schlich sich von Baum zu Baum, um nicht aufzufallen, und durchkämmte die Gegend nach Abfallkörben. Als Erstes fiel ihr ein großer Drahtkorb neben einem Tennisplatz ins Auge; dort deponierte sie einen Beutel. Die nächsten beiden schmiss sie in einen Abfalleimer neben einem Kinderspielplatz mit Klettergeräten. Dort wurde sie durch eine Gruppe alter Leute gestört, die an ihr vorbeispazierten, worauf sie mit Unschuldsmiene ins Gebüsch abtauchte. Mit dieser Methode – durch den Park streifen, Abfallkörbe ausfindig machen, einen unbeobachteten Moment abwarten, Beutel hineinwerfen – brauchte sie eine knappe Stunde, bis sie alle fünfzehn Mülltüten entsorgt hatte.
Plötzlich überfiel sie der Hunger, vielleicht, weil sie sich erleichtert fühlte. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Kuniko entdeckte einen Kiosk und eilte darauf zu, während sie die Gummihandschuhe und den leeren schwarzen Plastiksack zusammenknüllte und in ihre Handtasche stopfte. Sie kaufte sich einen Hot Dog und eine Cola, setzte sich auf eine Holzbank und aß. Als sie den Pappteller und den Pappbecher in den Abfalleimer werfen wollte, sah sie, wie sich dort ein Haufen Schmeißfliegen über einen Rest gebratene Nudeln hermachte. Sie dachte an die Müllbeutel. Wenn sie rissen und der Inhalt herausplatzte, würde es darauf augenblicklich nur so wimmeln vor Schmeißfliegen. Das Zeug würde verwesen, ganze Schwärme von Schmeißfliegen anziehen, und bald würden die Maden darauf herumkrabbeln... Wieder bekam sie das Gefühl, sich übergeben zu müssen, und Kunikos Mund füllte sich mit saurem Speichel.
Sie wollte nur noch nach Hause und schlafen. Sie stand auf, steckte sich eine Mentholzigarette zwischen die Lippen und lief über das nasse Gras zum Auto.
Als sie, ganz schwindlig vor Übermüdung, dem Schock über das, was sie in Masakos Haus hatte sehen müssen, und der anstrengenden
Arbeit im Park, vor ihrer Wohnungstür stand, löste sich ein junger Mann aus einer Flurecke des offenen Treppenhauses und kam langsam auf sie zu. Ahnungslos sah sich Kuniko den Mann an. Mit dem schlichten Anzug und dem schwarzen Aktenkoffer wirkte er wie ein Vertreter. Das fehlte noch! Hastig schloss sie die Tür auf und wollte schon in ihrer Wohnung verschwinden, aber da hatte der Mann sie schon angesprochen:
»Frau Jōnouchi?« Die Stimme kam ihr bekannt vor.
Wieso wusste er ihren Namen? Kuniko warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Freundlich lächelnd näherte er sich ihr. Zu dem schlicht karierten Leinenanzug trug er eine gelb gemusterte Krawatte. Er schien Geschmack zu haben, war schlank und hatte sein Haar braun gefärbt – schlecht sah er nicht aus. Er hatte durchaus etwas von diesen jungen, hübschen Serienschauspielern im Fernsehen. Kuniko wurde neugierig.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie einfach so anspreche. Mein Name ist Jūmonji.«
Der Mann griff in die Brusttasche seines Jacketts und überreichte ihr mit geübter Handbewegung seine Karte. Kuniko blickte darauf und konnte einen entsetzten Schrei nicht unterdrücken. Denn auf der Karte stand: »Verbraucherzentrum Million. Akira Jūmonji. Geschäftsführender Direktor«.
Obwohl sie es geschafft hatte, sich bei Masako fünfzigtausend zu leihen, hatte sie vor lauter Aufregung über diese verdammte Wegwerfaktion doch tatsächlich verschwitzt, zur Bank zu fahren! Wozu hatte sie denn den ganzen Stress überhaupt auf sich genommen?! Sie war wirklich zu blöd! Kuniko, die sich sonst immer aufspielte, als ginge sie nichts etwas an, konnte ihre Nervosität kaum verbergen.
»Ach je, entschuldigen Sie bitte. Ich habe das Geld, aber ich habe vollkommen vergessen, es zu überweisen. Also... ich, ich habe es, wirklich, warten Sie!«
Als sie ihr Portemonnaie aus der Handtasche zog, fiel einer der Wegwerfhandschuhe heraus und landete auf dem schmutzigen Betonboden. Jūmonji bückte sich, hob ihn auf und
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