Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Nase.
Da erinnerte sie sich an die baufällige Betondecke über dem Abwasserkanal vor der stillgelegten Fabrik. Niemand würde es bemerken, wenn sie Kenjis Schlüsselbund und Portemonnaie in eines der Löcher werfen würde. Seinen Kopf könnte sie im Verlaufe des morgigen Tages irgendwo in den Wäldern um den Sayama-See vergraben.
Masako wollte Kenjis Sachen so schnell wie möglich loswerden. Als ihr Blick auf das hohe Wiesengras und das Rolltor
vor der Einfahrt zur stillgelegten Fabrik fiel, erinnerte sie sich dunkel daran, wie Kazuo Miyamori gestern Nacht gesagt hatte: »Ich warte morgen hier.« Ihr Zusammentreffen am Morgen dürfte ihm diese Flausen wohl ausgetrieben haben, trotzdem sah sie sich vorsichtshalber genau in der Gegend um; es schien jedoch wirklich niemand da zu sein.
Sie näherte sich dem Rand des Kanals und suchte im Dunkeln angestrengt nach Löchern in der Betondecke, von denen sie eine ganze Reihe an den Nahtstellen der Bauelemente fand. Sie nahm Kenjis leeres Portemonnaie und seinen Schlüsselbund aus ihrer Tasche und warf beides hinein. Beruhigt hörte sie, wie die Sachen unten aufschlugen, und entfernte sich in Richtung Lunchpaket-Fabrik, die hell erleuchtet aus der Dunkelheit der Nacht vor ihr aufragte.
Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, dass Kazuo Miyamori die ganze Zeit im Schatten des verrosteten Rolltors hockte, gegen das er sie in der vergangenen Nacht gepresst hatte.
5
Sobald sie Masakos Haus verlassen hatte, gönnte sich Kuniko ein lang ersehntes, befreites Durchatmen.
Das Wetter zeigte Anzeichen von Besserung, zwischen den Wolken schimmerte hier und da sogar blauer Himmel durch. Als die nach dem Regen feuchte, aber reine Luft an ihren Nasenwänden vorbeistrich, kam sie endlich wieder etwas zu Atem. Wenn nur der schwarze Plastiksack in ihrer rechten Hand nicht wäre, voll gepackt mit diesen widerlichen Sachen! Kuniko schüttelte sich und verzog das Gesicht. Sofort kam ihr auch die Luft, die sie gerade eingeatmet hatte, wieder lauwarm und eklig vor.
Sie setzte den Sack auf dem Boden ab und öffnete umständlich den Kofferraum ihres Golfs. Als ihr das typische Gemisch aus Staub- und Benzingeruch entgegenschlug, überfiel sie wieder der Brechreiz. Während sie die auf dem Filzboden des Kofferraums verstreuten Sachen – Werkzeug, Schirm, Schuhe – auf eine Seite räumte, um für die grässliche Fracht neben sich Platz zu schaffen, konnte sie immer noch nicht glauben, was sie da eben getan hatte.
Dieses unheimliche, eklige Gefühl, das sich ihren Händen durch die Gummihandschuhe hindurch vermittelt hatte, als sie die rosafarbenen Fleischstücke anfassen musste. Die bleichen Schnittflächen der durchsägten Knochen. Die bläulich weiße Haut, in der noch die Körperhaare steckten. All diese Details, die sich ihrem Hirn eingebrannt hatten, traten ihr jetzt wieder überdeutlich vor Augen, und, obwohl sie sowieso nicht kochen konnte, nahm sie sich fest vor, unter keinen Umständen jemals ein Fleischgericht zuzubereiten.
Vor Masako hatte sie zwar glaubwürdig versichert, alles gewissenhaft zu erledigen, aber daran brauchte sie sich jetzt nicht mehr zu halten; sie wollte dieses unheimliche Zeug nur noch auf schnellstem Wege loswerden. Nicht eine Sekunde wollte sie es in ihrem geliebten Auto haben. Bald würde es zu verwesen beginnen und die Luft mit seinem schrecklichen Gestank verpesten, der sich dann womöglich in die glatten, weichen Lederbezüge ihrer Sitze fressen und sie auf ewig belästigen würde. Nicht auszudenken! Sicher wäre jedes Raumspray machtlos dagegen. Je mehr sie sich diese Dinge vorstellte, desto weniger ertrug sie den schwarzen Sack neben sich. Sie überlegte, ob sie ihn nicht gleich hier in der Nähe irgendwo wegschmeißen konnte, und sah sich in der Gegend um.
Sie befand sich auf einer Anhöhe inmitten von Feldern, offenbar hatte man hier erst vor kurzem angefangen, Bauland zu erschließen, denn es gab nur das eine Häuflein kleiner, nagelneuer Häuser, zu der Masakos gehörte. Doch wie der Zufall es wollte, hatte sie Glück: An der Grenze zwischen Bau- und Ackerland entdeckte sie eine durch ein Betonmäuerchen eingefasste Müllsammelstelle. Kuniko drehte sich zu Masakos Haus um und vergewisserte sich, dass die sie nicht beobachtete: Die Luft war rein. Sie nahm den schweren Plastiksack und trug ihn zur Sammelstelle.
Würde er hier entdeckt werden, könnte man ihnen leicht auf die Spur kommen, aber das war Kuniko egal. Hatte sie etwa darum gebeten, ihn
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