Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
aus.«
»Danke, vielleicht komme ich auf das Angebot zurück, wenn wirklich einmal Not am Mann ist. Aber viel zu holen ist da nicht, alles peanuts – meine Kunden sind kleine Leute!« Wenn man es übertrieb, machten sie sich bloß aus dem Staub, und man konnte die Zinsen und sein Geld abschreiben, wollte er damit sagen. Beim Geldeintreiben musste man Angsthasen auch wie Angsthasen behandeln. Gerade darin bestand die Schwierigkeit in diesem Geschäft, genau das war seine Kunst.
»Nur zu, keine falsche Bescheidenheit, komm ruhig zu mir, wenn Not am Mann ist. Aber ich weiß ja, was für ein ausgekochtes Früchtchen hinter diesem Adonis-Gesicht steckt«, sagte Soga und tätschelte Jūmonji dabei auf die Wange. »Ein gerissener Hund bist du. Einen wie dich könnte ich gut in meiner Truppe gebrauchen! Die da sind alle blöd wie Schifferscheiße, wirklich, ich hab’s nicht leicht, wenn du wüsstest, was ich durchmachen muss! Am liebsten würde ich sie alle zur Abhärtung in unsere alte Gang stecken.« Soga warf seinen Jungs einen finsteren Blick zu.
»Was ich noch fragen wollte, Soga-san, haben Sie nicht zufällig ein einträgliches Geschäft für mich auf Lager?«
»Du machst mir Spaß! Als ob wir das nicht alle brauchen könnten!« Soga löste seinen Blick von Jūmonji und ging mit ernstem Gesicht zu seiner Limousine zurück. Dort hatte die ganze Zeit ein junger Bursche mit blond gefärbten Haaren, dessen Funktion offenbar hauptsächlich darin bestand, den Chauffeur zu spielen, mit gesenktem Kopf die Tür aufgehalten und gewartet. Jūmonji verabschiedete sich und sah Sogas Wagen hinterher, bis er den Parkplatz verlassen hatte. Erst dann fuhr er selbst los. Anstatt ihm diese ungehobelten Gassenjungen anzubieten, sollte er lieber etwas Kapital rüberwachsen lassen, wünschte sich Jūmonji inständig. Geld konnte man schließlich nie genug haben.
In einer Nebengasse des Bahnhofs von Higashi-Yamato lag ein kleiner, heruntergekommener Sushi-Laden, der sich aus Mangel an Kundschaft aufs Auslieferungsgeschäft verlegt hatte. Der geschlitzte Vorhang in der Ladentür war schmuddelig, und der Motorroller für die Essenslieferungen starrte vor hochgespritztem Straßendreck. Hinter dem Laden schrubbte ein junger Bursche gerade die Lacktabletts mit einer Klobürste aus. Nur noch eine Frage der Zeit, bis die Aufsichtsbehörden den Laden schließen würden.
Seitlich davon führte eine Treppe, der man ansah, dass sie erst vor kurzem gebaut worden war, in den ersten Stock hinauf, geradewegs auf Jūmonjis Firmenbüro zu. Mit Schwung nahm er die knarrende Treppe und öffnete die Sperrholztür, auf der ein weißes Schild mit der Aufschrift »Verbraucherzentrum Million« prangte.
»N’Abend!«, begrüßten ihn seine beiden Angestellten und wandten sich ihm zu. Es gab einen Computer, mehrere Telefonapparate, einen jungen Mann mit gelangweiltem Gesicht und eine Frau mit Wuschelkopf im »Sauvage Look« der frühen Achtziger, für den sie längst zu alt geworden war.
»Ja, n’Abend zusammen. War was los?«
»Fehlanzeige. Heute Nachmittag gar nichts.«
Obwohl er wusste, wie aussichtslos das war, beauftragte Jūmonji seinen jungen Angestellten damit, den Aufenthaltsort von Kunikos Mann Tetsuya herauszufinden.
»Das wird nicht viel bringen, glaube ich, aber okay.«
»Na ja, wahrscheinlich hast du Recht, und es wird uns nur Geld kosten – gut, lass es sein!«
Mit einem Gesicht, als hätte er sowieso nicht vorgehabt, einen Finger dafür krumm zu machen, nickte der junge Mann erleichtert. Die Frau im »Sauvage Look« hatte währenddessen mit unbeteiligter Miene ihre rot lackierten Fingernägel begutachtet und stand nun auf: »Chef, kann ich jetzt gehen? Eigentlich hab ich ja um fünf Schluss...«
»Ja, danke, bis morgen dann.«
Er hatte schon öfter daran gedacht, sie durch eine junge Angestellte zu ersetzen, den Plan aber verworfen, weil eine Jüngere ihm kaum etwas nützen würde. Er wusste, dass viele Kunden nur anbissen, weil der erste Kontakt über eine ältere Frau lief. Dann würde er den jungen Mann wohl oder übel feuern müssen. In letzter Zeit zerbrach er sich bloß noch darüber den Kopf, wie er mit seinen Einnahmen die laufenden Kosten decken konnte.
Neugierig, was für eine Geldquelle Kuniko da wohl aufgetan haben könnte, sah Jūmonji zum Fenster hinaus. Er blickte genau auf das eingezäunte, von Gras und Gestrüpp überwucherte Baustellengelände vor dem Bahnhof. Dahinter ging gerade die Sommersonne
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