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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmuth Santler
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Petrus globale Verunglimpfung in Schutz und erklärt, dass Frauen wie Männer zur Erlösung fähig sind.
    Marias Konkurrenzsituation zu Petrus ist auch in anderen gnostischen Schriften belegt. Das Bild, das sich aufdrängt, ist das eines Mannes, der um Einfluss ringt, der auch vor übler Herabwürdigung nicht zurückschreckt, um seine Sicht der Dinge zur allein gültigen zu machen. Nimmt man die gnostischen Schriften als Maßstab, ist ihm dies gründlich misslungen: Er ist Maria in allen Belangen unterlegen, ob es jetzt um den Grad seiner Erkenntnis oder seine Nähe zum Herrn geht.
    Aus katholischer Sicht sieht es gänzlich anders aus: Simon ist der Fels, auf dem die Kirche errichtet wurde.

Maria Magdalena offiziell

    Bibelkarte aus den 1920er-Jahren: Maria Magdalena begegnet als Erste dem auferstandenen Christus.
    Was steht nun geschrieben? In den kanonischen Evangelien spielen Frauen generell eine minderwichtige Rolle; dennoch schafft es eine, genau zwölfmal erwähnt zu werden. Und nicht nur das: Maria Magdalena kommt mit drei Erwähnungen bei Matthäus, vier bei Markus, zwei bei Lukas und drei bei Johannes auch in allen vier Evangelien vor; selbst der Frauen am geringsten von den vier Evangelisten schätzende Lukas kommt an ihr nicht vorbei.
Die wichtigste Frauenfigur in der Bibel
    Überwiegend wird Maria von Magdala, wie sie in der Lutherbibel zumeist genannt wird, gemeinsam mit anderen Frauen angeführt: andere Marias, Salome oder Johanna zählen ebenfalls zu den Jüngerinnen Jesu. Mit Ausnahme der Stelle bei Johannes, an der er die Anwesenden bei der Kreuzigung auflistet, wird Maria Magdalena in diesen Aufzählungen durchwegs als Erste genannt. Es ist unstrittig, dass damit ihre überragende Rolle in der Hierarchie der Gleicheren unter Gleichen herausgestrichen wird; die kanonischen Evangelien vermeiden es allerdings konsequent, Maria mit Jüngern in eine Reihenfolge zu stellen. Ihr Platz als Erste der Frauen wird ihr zugestanden, nicht mehr und nicht weniger.

    Maria Magdalena als Apostelin der Apostel: Sie berichtet von der Auferstehung. Albanipsalter, 12. Jh.
    Damit sind allerdings noch nicht alle Details angeführt, die die besondere Stellung von Maria Magdalena selbst in der offiziellen Bibel kenntlich machen: Maria ist die einzige Frau, die nicht über einen Mann definiert wird (als Mutter des Joses oder Frau des Klopas); sie ist die Maria, zur notwendigen Abgrenzung von den anderen biblischen Marias mit dem ortsbezogenen Beinamen „von Magdala“ oder „Magdalenerin“ versehen. Die Definition über die Herkunft erfolgt nur bei einer einzigen weiteren Figur in den Evangelien: Jesus von Nazareth.
    Last but not least erfahren wir ein Detail aus Marias Vergangenheit: Sie war von sieben Dämonen besessen gewesen, die ihr ausgefahren sind (Lk 8,2) bzw. explizit von Jesus ausgetrieben wurden (Mk 16,9). Sie wird mithin einer Hintergrundgeschichte für würdig befunden – ein Merkmal, das in jeder Geschichte die tragenden Charakterrollen von der Edelstatisterie abhebt.

    Paul Cézanne nahm sich 1869 eines selten gepflegten Sujets an: der besessenen, von Schmerz gepeinigten "La Madeleine".
    Sollten noch irgendwelche Zweifel bestehen, wer die Heldin der evangelikalen Geschichte ist, werden diese spätestens durch Maria Magdalenas Auftritte in den Frohen Botschaften beseitigt: Sie ist bei der Kreuzigung anwesend, gemeinsam mit anderen Frauen. Die Bedeutung dessen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: Jesus, ihr Rabbi und weiser Lehrer und Führer, wird als Terrorist hingerichtet – und die Einzigen, die durch ihre Anwesenheit ihre unverbrüchliche Treue zu diesem Mann erkennen lassen und sich dadurch in akute Lebensgefahr begeben, sind die Frauen, allen voran Maria Magdalena. (Nur bei Johannes mischt sich noch der namenlose, gerne mit dem bartlosen Jüngling Johannes identifizierte „Jünger, den Jesus lieb hatte“, hinzu; dafür wird die ganze Szene unglaubwürdig, weil die drei Marien, die immer bei Jesus waren, jetzt direkt unter dem Kreuz stehen, Auge in Auge mit der römischen Besatzungsmacht, während die synoptischen Evangelien übereinstimmend berichten, die Frauen hätten „von ferne“ zugesehen.)

    Sandro Botticellis Darstellung der Kreuzigung wirkt realistisch: Außer seiner Favoritin wohnte ihr nur noch die Himmelsmacht bei. Ca. 1497
    Die Frauen zeichnen sich also durch unerschütterliche Entschlossenheit und Loyalität aus, während sämtliche männlichen Anhänger Jesu sich

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