Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)
Gegenstände, aber alles war sorgfältig geordnet, selbst die leeren Flaschen. An den Wänden hingen Stoffe und Spitzen. Auf dem Tisch lagen reihenweise auf Stricknadeln gespießte Wollknäuel unter Fluten von Stoffen und Garnituren. Die behagliche Atmosphäre verwirrte ihn.
Er verbrachte den Rest des Abends nachdenklich schaukelnd daheim. Er wurde alt, seine Arme wurden mittlerweile schnell müde, und das Geschäft verlangte ihm viel ab, jetzt, da er sich keinen Angestellten mehr leisten konnte. Verträumt dachte er an Remouald … Und ohne dass irgendeine fleischliche Absicht ihn dazu angeregt hätte – er war in dieser Hinsicht stets von vollendeter Lustlosigkeit gewesen –, verspürte er doch zum ersten Mal das Bedürfnis, gehätschelt zu werden, die Mahlzeiten vorgesetzt und seine alten Mäntel und Socken gestopft zu bekommen. Am nächsten Tag begab er sich zum Pfarrer.
Cadorette erfuhr aus Saint-Aldor regelmäßig das Neueste über Remouald. Er antwortete Séraphon, es gehe dem Jungen nicht mehr ganz so schlecht. Séraphon lächelte erleichtert.
»Umso besser, Herr Pfarrer, umso besser. Sie werden verstehen, mich trifft zwar keinerlei Schuld, aber ich wäre doch sehr froh, wenn es mir mit meinen bescheidenen Mitteln möglich wäre, ein wenig von dem Leid zu lindern, das in meinem Laden geschehen ist, und einen Sohn in den Schoß der Mutter zurückzubringen … Die Geschäfte laufen nicht besonders gut, aber über die Runden kommen würden wir allemal. Und all die Arbeit all die Jahre, es wäre doch traurig, wenn niemand etwas davon gehabt hätte, wenn ich einmal sterben muss. Ich habe so wenig Gutes in meinem Leben getan, Herr Pfarrer.«
Cadorette verzog zweifelnd das Gesicht.
»Der Gedanke ehrt dich, mein lieber Séraphon (dieser hob bescheiden die Hände). Ich werde mit Dr. Rocheleau sprechen und dann nach Saint-Aldor schreiben, um ihre Meinung einzuholen. Ich gebe dir Bescheid, sobald ich Antwort habe.«
»Gott segne Sie, Herr Pfarrer. Sie ahnen nicht, wie glücklich es mich machen würde, etwas Gutes zu tun.«
»Mal nicht übertreiben, Séraphon. Wir sprechen uns. Also!«
Eines schönen Morgens erschien Célia bei Séraphon: Seine Hausschuhe waren fertiggestrickt. Er bat sie in die Küche und vertraute sich ihr an. Er sprach von sich, von seiner Einsamkeit, seiner alten Mutter, die ihm so sehr fehlte, und dem Bedürfnis eines jeden Wesens, Leid und Freud zu teilen. Célia blickte betrübt zu Boden. Séraphon war entschlossen, alles auf eine Karte zu setzen. Unvermittelt sagte er, er würde dafür sorgen, dass sie ihren Sohn zurückbekäme, wenn sie ihn heiratete.
Célia richtete sich auf. Sie bat ihn zu wiederholen, was er gesagt hatte. Ihre Stimme klang bedrohlich. Er sagte es noch einmal. Sie machte marionettenhaft ein paar Schritte in Richtung Tisch, ihre Hände zitterten, sie drehte sich um.
»Sie sagen, dass … Remouald …?«
»Ja!«, sagte Séraphon. »Ja!«
Und schlug mit der Faust auf den Tisch.
Célias Augen weiteten sich, ihre Lider zuckten, sie versuchte sich irgendwie festzuhalten, dann fiel sie hintüber. Triumphierend küsste Séraphon seine Hausschuhe.
Zwei Wochen später segnete der Pfarrer die Ehe.
* * *
Séraphon erwachte und rang nach Luft, ein Gesicht war über ihn gebeugt.
»Möchten Sie vielleicht ein schönes Tässchen Tee?«, fragte die Racicot.
Séraphon Tremblay blickte sich um, als wunderte er sich, in seinem eigenen Schlafzimmer zu liegen. Langsam atmete er wieder leichter. Seit einer Woche tat er kein Auge zu, ohne dass ihn seine Träume in die Zeit vor zwanzig Jahren versetzten. Die Witwe kam mit der Teeschale. Er musste den brühend heißen Tee erdulden, den sie verschüttete, ihre tätschelnden Ohrfeigen; er nahm alles ohne eine Träne hin. Er fühlte sich fehl am Platz, so als wäre er nur noch ein Ding unter Dingen. Als sie zur Tür hinausgehen wollte, rief er sie zurück.
»Bitte bleiben Sie!«, sagte er flehentlich. »Bleiben Sie bei mir, bis Remouald von der Bank zurück ist. Ich flehe Sie an. Sonst kommt Er wieder. Immer wenn ich allein bin, kommt Er wieder.«
Die Witwe bemühte sich zu begreifen und runzelte mit verstockter Miene die Stirn. Sie schien zu dem Schluss zu kommen, dass der alte Mann einen Witz gemacht hatte, und trat einfältig lachend über die Schwelle.
Seit einer Woche hatte Séraphon Erscheinungen. Wenngleich er genau wusste, dass sein Kopf ihm einen Streich spielte, dass es nur Halluzinationen waren, so sah er doch, was er
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