Die unbeugsame Braut
eine glückliche Stunde mit munterem Geplauder, während derer Georgina erst ihre Nichte allein und dann zusammen mit ihrer Mutter zeichnete. Jane war begeistert, dass die Tante sie als Blumenfee mit zarten Schwingen verewigte. In einer Ecke lugte ein Häschen unter einem großen Blatt hervor.
Die Zeichnung, die Mutter und Tochter darstellte, war weniger kindlich und hob die unverkennbare Familienähnlichkeit hervor.
Am Abend bat Georgina darum, den zweijährigen George baden zu dürfen.
»Georgy, du wirst eine viel aufopferndere Mutter werden, als ich es bin«, sagte Susan.
»Um deine Kinder beneide ich dich sehr, Susan.«
»Ich habe eben erst entdeckt, dass ich wieder guter Hoffnung bin«, vertraute die Schwester ihr an. Sie lachte: »Das Kindermachen koste ich voll aus, sie aber neun Monate auszutragen, ist eine mühsame Sache. Zudem verliert William sein Interesse an mir, sobald mein Umfang zunimmt.«
Georgina seufzte mitfühlend. »Deshalb habe ich es mit einer Heirat nicht so eilig. Ich warte lieber, bis ich einen Mann finde, der mich wirklich liebt.«
»Das hat wenig Sinn, Georgy. Alle Männer haben wanderlustige Augen und Hände – und Schwänze«, erklärte Susan.
»Erst sechsundzwanzig und schon so zynisch«, zog Georgina sie auf.
»Morgen siebenundzwanzig.«
An jenem Abend um etwa zehn Uhr beschloss Georgina, die von einer eigenartigen Stimmung erfüllten Räumlichkeiten Katharina von Aragons zu erkunden, in denen die unglückliche Königin die letzten Monate ihres Lebens verbringen musste.
Am Fuß der Galerietreppe, die zu Katharinas Privatkapelle führte, stand eine große Eichenholztruhe, in der sie ihre Gewänder und ihren Schmuck aufbewahrt hatte.
Georgina kniete nieder und strich mit den Fingern über die Initialen, die den Deckel zierten. »Dein Unglück ist hier noch spürbar. Sogar die Luft verströmt Melancholie«, murmelte sie schaudernd. »Du hast Glauben und Leben in die Hände deines Gemahls gelegt, und er verriet dich um einer anderen willen.«
Auf den Fersen kauernd, dachte Georgina an Anne Boleyn. Sie liebte den König gar nicht. Über sieben Jahre lang hielt sie ihn auf Distanz, gab sich ihm erst unter dem Druck ihrer Familie hin. Ich kann ihr nachfühlen, wie ihr zumute war. Sie legte eine Hand auf den Deckel wie auf eine Bibel. »Ich schwöre, dass ich mich dem Duke of Bedford nie hingeben werde«, flüsterte sie inbrünstig.
Am nächsten Tag machten Georgina und Jane besondere Pläne für Susans Geburtstagsdinner. Mit dem Küchenchef wurde vereinbart, dass er die Lieblingsgerichte des Geburtstagskindes zubereitete. Sie bestellten eine Torte mit siebenundzwanzig Kerzen und pflückten Frühlingsblumen für die Tischdekoration. Des Weiteren wurde mit den Musikern, die für die Unterhaltung zuständig waren, die Auswahl der Stücke besprochen. Alle Geschenke ließ Georgina in das Speisezimmer schaffen und auf einem Refektoriumstisch aufbauen.
William Montagu kehrte von der Jagd zurück und ging hinauf, um ein Bad zu nehmen und sich umzukleiden. Auch Georgina begab sich auf ihr Zimmer und zog eines ihrer neuen Kleider an, aus blassgelber, mit weißen Rosenknospen bestickter Seide. Eine der Kammerzofen ihrer Schwester half ihr mit der Frisur und flocht weiße Satinbänder durch ihre dunklen Locken. Zur Vollendung ihrer Aufmachung wählte sie Perlenohrringe, griff dann nach ihrem Fächer und eilte hinunter.
»Endlich!«, rief William in seiner gewohnt burschikosen Art aus.
»Wir haben eine reizende Überraschung für dich«, kündigte Susan an.
Georgina blieb auf der untersten Stufe wie angewurzelt stehen, und ihr Glücksgefühl schmolz wie Schnee in der Sonne dahin. Zwischen dem Duke und der Duchess of Manchester stand Francis Russell, Duke of Bedford.
20
G eorgina zwang sich zu einer freundlichen Miene und legte eine Höflichkeit an den Tag, die in krassem Gegensatz zu ihren wahren Gefühlen stand. »Das nenne ich allerdings eine Überraschung. Ich wusste nicht, dass noch ein Gast zum Dinner geladen war.«
»Die Nähe von Woburn und Kimbolton macht uns praktisch zu Nachbarn«, sagte William in gutmütigem Ton.
Francis Russell bot Georgina seinen Arm. »Wieder zum Angriff bereit?«
»Ich hatte keine Ahnung, dass Sie bei der Armee waren.« Sie wollte ihn ärgern, denn sie wusste ganz genau, dass er nie gedient hatte.
» Militans omnis amans – jeder Liebhaber ist Krieger.«
Sie nahm seinen Arm und blickte zu ihm auf. »Ist das nicht Ovid?«
»Ganz recht,
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