Die unbeugsame Braut
ob. Ganz London weiß, dass der Duke of Bedford offiziell um dich werben wollte, und erwartet nun, dass du am Boden zerstört bist.«
»Aber das bin ich tatsächlich. Wenn ich den Kerl auch verabscheut habe, bin ich doch nicht so schlecht, ihm den Tod zu wünschen. Louisa, was soll ich nur tun?«
»Ich rate dir, ein bekümmertes Gesicht zur Schau zu tragen und den Mund zu halten.«
Die Duchess of Gordon rauschte in die Bibliothek. »Da bist du ja, mein armer Liebling. Wir müssen sofort nach London zurückkehren. Gleich morgen früh geht es zur Schneiderin.«
»Zur Schneiderin?«, murmelte Georgina ratlos.
»Du musst dich neu einkleiden, ganz in Schwarz.«
Georgina, die nicht heucheln wollte, machte den Mund auf, um zu protestieren, doch Louisas warnender Blick ließ sie verstummen. Wenn ich Trauer trage, komme ich für den Heiratsmarkt nicht infrage und bin vor Mutters Plänen vorerst sicher. Doch dieser egoistische Gedanke war nur dazu angetan, Georginas Schuldgefühle zu verstärken.
Wie betäubt vor Trauer, verfasste John Russell die Todesanzeige für seinen Bruder, die in der Times erscheinen sollte, und traf alle notwendigen Vorbereitungen für die Beerdigung. Der Gottesdienst fand in der Kirche von Chenies statt, und die leere Kutsche des Herzogs folgte dem Sarg. Entlang der Straßen standen die herzoglichen Pächter, sämtliche Angestellte und Diener sowie Hunderte von Einheimischen, die ihm die letzte Ehre erweisen wollten. Freunde, Bekannte und Politiker ließen die Trauergemeinde auf viertausend Personen anschwellen.
Nach der Beerdigung stürzte John sich ohne Verzug in die Verwaltung des Besitzes und verbrachte endlose Stunden mit Anwälten und Buchhaltern. Da Francis es versäumt hatte, in seinem Testament Legate für das Personal wegen treuer Dienste vorzusehen, sorgte John dafür, dass jeder, ob er nun im Haus oder auf den Gütern, im Garten oder im Stall arbeitete, im Namen seines Bruders einen großzügigen Betrag erhielt.
Als Nächstes berief John seine Verwalter ein und ging die Unterlagen durch, die sie ihm vorlegten. Er nahm sich die Zeit, mit jedem einzelnen Pächter auf dem Riesenbesitz persönlich zu sprechen. Er besichtigte die Gutsmeierei und nahm eine Bestandsaufnahme des Viehs vor. Während Francis das meiste seinen Verwaltern überlassen hatte, beschloss John, der seine Verpflichtungen immer sehr ernst zu nehmen pflegte, sich um vieles selbst zu kümmern. Er kontrollierte die Bücher, bezahlte die Rechnungen und hatte ein offenes Ohr für alle, die für ihn arbeiteten.
Zuletzt widmete er sich dem beileibe nicht kleinen Problem der Geliebten seines Bruders. John war schockiert und angewidert, als er in einem Schreibtischfach ein Tagebuch entdeckte, in dem Francis’ sexuelle Ausschweifungen in allen Details festgehalten waren. Erschrocken sah er, dass der letzte Eintrag mit Georgina überschrieben war. Seinen Bruder verwünschend, riss er die Seite heraus und warf sie ins Feuer.
Da Woburn nun sein Heim war und auch das seiner Söhne, sofern sie nicht in der Schule waren, musste das Problem Molly Hill gelöst werden. Zu seiner Verwunderung erfuhr er, dass Francis’ bereits bestehende Verletzung im Bett von Molly Hill offenbar den Rest erhalten hatte. Nachdem die kluge Frau sich schriftlich zu verpflichten bereit war, die Sache nicht auszuplaudern, erwarb John für sie ein kleines Haus in London.
Ganz oben auf dieser Liste stand Marianna Palmer. John war sehr betroffen, als er erfuhr, dass Francis die beiden illegitimen Kinder, einen Sohn und eine Tochter, unversorgt zurückgelassen hatte. Er
kam mit seinem Anwalt überein, den beiden vom Zeitpunkt ihrer Großjährigkeit an beträchtliche Apanagen zukommen zu lassen, und sorgte auch dafür, dass Marianna finanziell abgesichert wurde.
Die Anzahl der Frauen, die nun behaupteten, die letzte Geliebte des Duke of Bedford gewesen zu sein, und sich mit finanziellen Forderungen an den neuen Herzog wandten, wuchs täglich. In einigen Fällen war zwar Skepsis angebracht, doch machte er sich nichts vor – sein Bruder hatte ein liederliches Leben geführt. Deshalb zahlte er die Frauen ohne weitere Umstände aus, machte ihnen aber unmissverständlich klar, dass sie künftig kein Geld mehr zu erwarten hätten.
Meist fiel John abends total erschöpft ins Bett. Auch half die Arbeit ihm, den Kummer über den Tod seines trotz allem geliebten Bruders wenigstens zeitweise zu vergessen. Doch obwohl hundemüde, lag er oft stundenlang wach,
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