Die unbeugsame Braut
Stattdessen schweigt dieser elende Mensch und bringt mich in die peinliche Lage, Georginas Ruf verteidigen zu müssen.
Am Tag darauf schrieb Jane einen langen Brief an den Prince of Wales, in dem sie ihm ihre innige Anteilnahme zum Verlust seines besten Freundes, des Duke of Bedford, ausdrückte.
Nur jemand, der ihm so viel tiefe Liebe und Zuneigung entgegenbrachte, kann ermessen, wie meine Tochter leidet. Francis hielt im Geheimen um Georgina an und schrieb dem Duke of Manchester, er beabsichtige, die Verlobung öffentlich bekannt zu geben. Zuvor kam es leider zur Tragödie.
Jane schloss den Brief mit einer geschickten Mischung aus Mitgefühl und Schmeichelei, wohl wissend, dass der Prinz der Versuchung nicht würde widerstehen können, die Geschichte unter seinen Freunden zu verbreiten.
Sie konnte nicht ahnen, dass der Brief in die Hände von Prinnys Geliebter, Lady Jersey, fiel, die ihn prompt las. Seit der peinlichen Begegnung anlässlich des Maskenballs auf Kimbolton hegte sie für Francis Russell wenig Sympathie und sah nun eine Möglichkeit, seinen Namen schlechtzumachen. So erzählte sie jedem, der es hören wollte, dass der verworfene Duke of Bedford vor seinem Tod Lady Georgina Gordon zu seiner Geliebten gemacht, nie jedoch die Absicht gehabt hätte, die lockere Schöne zu heiraten.
Damit war das Märchen von der heimlichen Verlobung geplatzt, und genüsslich wurde in Windeseile überall darüber getratscht. Noch schlimmer wurde es, als auch noch Prince Edward im Brooks Club ein weiteres pikantes Detail hinzufügte. Nachdem er wie immer
zu viel getrunken hatte, gestand er seinen Freunden, dass er und Francis um tausend Pfund gewettet hätten, wer von ihnen die kleine Gordon als Erster ins Bett bekäme.
Als dieses Gerücht von beflissenen Freunden der Duchess of Gordon zugetragen wurde, war ihr schlagartig klar, dass der Ruf ihrer Tochter in Gefahr stand, dauerhaften Schaden zu nehmen. Wenn das so weiterging, waren Georgys Heiratschancen ebenso zum Teufel wie ihre eigenen hochgesteckten Ambitionen. Jane, die sich nun einer echten Krise gegenübersah, geriet in Panik. Und sie wusste keinen Ausweg aus dem Dilemma.
Doch das Schicksal kam ihr zu Hilfe. Just in diesem Moment nämlich traf in London die Nachricht ein, dass die Kriegshandlungen zwischen England und Frankreich eingestellt seien – und damit hatte die Gesellschaft ein neues Gesprächsthema gefunden. Mit Feuereifer wurde nun über politische Richtlinien und bevorstehende Friedensverhandlungen diskutiert – und, vor allem bei den Damen, über Paris. Eine Festlichkeit jagte die andere, und das vornehme London verlor nach und nach das Interesse an der geheimnisvollen Affäre zwischen Georgina Gordon und Francis Russell.
»Wir gehen nach Paris!« Louisas Stimme klang durch das Haus an der Pall Mall, während sie Mantel und Hut einem Diener zuwarf.
Mit stolzem Lächeln folgte Charles Cornwallis seiner Frau in Jane Gordons Salon. »Mein Vater hat in Amiens den Friedensvertrag mit Napoleon unterzeichnet. Der Krieg mit Frankreich ist damit auch formell beendet.«
»Der Marquess of Cornwallis, natürlich!« Die Duchess of Gordon lächelte seit Wochen zum ersten Mal. »Wie erfreulich, dass meine Tochter mit dem Sohn des fähigsten Generals unseres Königs verheiratet ist.«
»Wo ist Georgy? Ich kann es kaum erwarten, es ihr zu erzählen.«
»Sie verbringt ihre Trauerzeit bei Charlotte in der Abgeschiedenheit
von Richmond-on-Thames. Es waren für deine Schwester schwere Wochen und für mich ebenfalls. Ich tat mein Bestes, um Diskretion zu wahren und sie vor dem infamen Klatsch zu schützen. Leider hat ihr Ruf trotz meiner Bemühungen gelitten.«
»Für mich ist es unerträglich, dass Georgy zur Zielscheibe all der bösen Lästermäuler geworden ist. Sie muss völlig verzweifelt sein. Vielleicht sollte sie mit uns nach Paris reisen und so Abstand zu der ganzen Sache gewinnen.«
Jane griff den Vorschlag begeistert auf. »Paris, eine wundervolle Idee, Louisa! Du hast die Lösung für mein Dilemma gefunden. Ich werde dieses Haus schließen und während des Frühlings und Sommers ein Domizil in Paris mieten«, erklärte die Herzogin. »London wird für die Verleumdung meiner Tochter büßen. Man wird ja sehen, wie man hier ohne mich auskommt. Schließlich bin ich die führende Tory-Gastgeberin.«
Die Gordons waren nicht die einzigen Damen der Gesellschaft, die sich auf Paris stürzten. Die französische Hauptstadt kam plötzlich groß in
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