Die unbeugsame Braut
war es manchmal geradezu unerträglich. Leider, denn eigentlich liebe ich Schottland sehr.«
Entschlossen, sie vor der Kälte zu schützen, zog John seinen langen Mantel aus und legte ihn ihr um die Schultern. »Devon würde Ihnen gefallen. Dort herrscht das ganze Jahr über ein angenehmes Klima, und die üppigen Täler sind voller Blumen, Falter und Vögel.«
»Das klingt ja paradiesisch«, sagte sie wehmütig.
Plötzlich ging ihm auf, dass er soeben die Szenerie seines immer wiederkehrenden Traumes geschildert hatte, in dem er und Georgy
als Vorspiel zu ihrer leidenschaftlichen Vereinigung über eine besonnte Wiese ritten. Sofort rief er sich zur Ordnung: Gedanken dieser Art waren höchst unpassend angesichts der Tatsache, dass die Frau seiner Träume um seinen Bruder trauerte.
Francis’ Geist stand zwischen ihnen wie eine unüberwindliche Schranke. Ihre einzigen Gemeinsamkeiten schienen im Moment Kummer und Trauer zu sein. John wünschte aus ganzem Herzen, es wäre anders. »Ich erhielt einen Brief Ihrer Mutter.«
Sie hob die Augen zu ihm auf und ließ erkennen, wie angstvoll und verletzlich sie war.
Wie kann ich ihr sagen, dass ihre Mutter die Lage nur schlimmer macht, indem sie sich darauf versteift, es hätte eine Verlobung gegeben? John fasste den Entschluss, es der Duchess of Gordon persönlich zu sagen.
Er beeilte sich, ihre Ängste zu zerstreuen. »Ihre Mutter drückte mir ihr Beileid aus und schrieb von ihrer großen Sorge um Sie. Das drängte mich zu diesem Besuch. Ich hoffte, Ihren Kummer lindern zu können, indem ich ihn teile.«
»Danke.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»Georgina, vielleicht ist es Ihnen ein Trost, wenn ich sage, dass Francis’ letzte Gedanken Ihnen galten.« Als ihre schönen Augen sich mit Tränen füllten, glaubte er, dass es zu früh sei, an diese Dinge zu rühren. Ihr Kummer berührte ihn sehr, und wenn er sich auch wünschte, es wäre anders, fand er sich damit ab, dass sie Francis wohl geliebt hatte.
An den Russell Square zurückgekehrt, schrieb er unverzüglich einen Brief an die Duchess of Gordon.
Euer Gnaden,
ich bedaure, dass mein Schweigen Sie kränkte, doch verstehen Sie gewiss, dass mein Verhalten von dem Respekt diktiert wird, den ich dem Gedächtnis meines Bruders schulde.
Francis brachte Ihrer Tochter zweifellos größte Hochachtung entgegen, und ich gehe mit Ihnen darin einig, dass die Absichten meines Bruders lauter und ehrenhaft waren. Als Beweis seiner zärtlichen Gefühle bat er mich, Ihrer Tochter eine Haarlocke von ihm zu geben.
Sicher pflichtet eine empfindsame und kluge Lady wie Sie mir jedoch bei, dass respektvolles Schweigen am ehesten geeignet ist, Klatsch und Spekulationen im Keim zu ersticken und Ihre Tochter vor noch mehr Schmerz zu bewahren, was, wie ich weiß, das oberste Ziel einer liebevollen Mutter ist.
John Russell
Er unterschrieb nur mit seinem Namen, denn noch immer brachte er es nicht über sich, den Herzogtitel Duke of Bedford zu benutzen.
Als die Herzogin John Russells Brief las, war sie enttäuscht, dass er die Verlobung weder bestätigte noch bestritt, doch hatte er wenigstens schriftlich dokumentiert, dass Francis Georgina eine Haarlocke hinterlassen wollte. Sie nahm dies als positiven Beweis dafür, dass der Duke of Bedford Heiratsabsichten gehabt hatte, und war nun entschlossen, aufs Neue zum Angriff überzugehen. Diesmal würde ihr Feldzug bei der höchsten Autorität seinen Anfang nehmen.
Sie erschien beim monatlichen Empfang von Königin Charlotte im St James’s Palace und brachte speziell für König George frischen schottischen Lachs als Geschenk mit. Sodann berichtete sie der Königin und allen anderen anwesenden Damen von der geheimen Verlobung, wobei sie ihre Geschichte mit erfundenen intimen Details der Liebesaffäre zwischen Georgina und dem Herzog, die sich angeblich auf Kimbolton Castle abgespielt hatte, ausschmückte. »Mit seinem letzten Atemzug bat Francis, seiner Geliebten eine Locke seines Haares zu übergeben.« Und als Beweis schwenkte sie John Russells Brief.
Nach Hause zurückgekehrt, schrieb die Herzogin an Susan, sie halte es für unabdingbar, dass sie und Manchester ihre Geschichte bestätigten, falls jemand bezweifelte, dass auf Kimbolton eine Verlobung stattgefunden habe. Dann ließ sie ihrem Zorn freien Lauf und verdammte John Russell. Es steht doch in der Macht des neuen Duke of Bedford, die Verlobung zu bestätigen und den Spekulationen ein Ende zu machen.
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