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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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und sie dümpelte im Rest ihres Körpers dahin. Sie war schwer geworden, sank tief in ihre Matratze.
    Fast wie Tauchen, wenn sie die Augen zumachte, die Oberfläche weit weg über ihr. Ein Meer mit Herzschlag, langsame Druckwellen, immer dichteres Wasser,aber kein Ufer. Kein Kontakt zur Oberfläche. Die Welt der Luft nur eine mythische Welt, Stürme und Gewitter und Sonne. Die einzige Wirklichkeit die Dichte des Wassers, seine Kühle, der Druck und seine Schwere.
    Irene wachte Stunden später auf. Der Schmerz kehrte zurück, scharf und zackig im Kopf, schneidend.
    Gary, rief sie, und diesmal hörte sie eine Reaktion. Ein Rascheln in der Küche, und er öffnete die Schlafzimmertür.
    Wie geht es dir?, fragte er.
    Ich brauche noch eine Vicodin. Ich hab richtig Angst. Der Schmerz ist unglaublich.
    Ich glaube, du solltest noch etwas warten, wenn es geht. Du sollst davon nicht mehr als vier am Tag nehmen, sagt Rhoda. Und der Arzt fand gar nicht, dass du die brauchst.
    Der Schmerz ist unerträglich, Gary.
    Vielleicht was Heißes essen. Vielleicht Essen und Wasser und das hilft ein bisschen. Was hättest du gern?
    Irene konnte nicht atmen. Sie drehte sich auf die Seite, und das machte den Schmerz und das Atmen nur noch schlimmer. Ich versuch’s, sagte sie. Ich will nur, dass es aufhört.
    Ich habe Wild aufgetaut. Das kann ich machen, mit Kartoffelpüree. Du musst mehr essen.
    Okay, sagte sie, schloss die Augen wieder und hörte, wie er die Tür schloss. Sie versuchte, den Schmerz wegzuatmen, ihn mit jedem Hauch zu entlassen. Versuchte, nicht panisch nach Luft zu schnappen. Aber es klingelte in ihren Ohren, ein hohes Summen in der Frequenzdes Schmerzes, das sich nicht ignorieren ließ. Sie konnte an nichts anderes denken. Sie nahm noch eine Vicodin. Egal, was Gary oder sonst jemand meinte.
    Sie wartete länger als zuvor auf Erleichterung, fünfzehn Minuten, eine außergewöhnliche Zeitspanne, danach driftete sie in erträglichere Gefilde, und Gary öffnete erneut die Tür.
    Fertig, sagte er. Wie geht es dir?
    Ich musste noch eine Tablette nehmen.
    Irene.
    Du verstehst das nicht. Du hast keine Ahnung, wie das ist. Hätte mir das jemand erzählt, ich hätte ihm nicht geglaubt.
    Jedenfalls, das Essen ist jetzt fertig.
    Irene setzte sich langsam auf die Bettkante, schwindelig. Meine Pantoffeln und mein Bademantel. Kannst du mir helfen?
    Brauchst du wirklich Hilfe?
    Jawohl.
    Okay. Er half ihr, und bald darauf saßen sie am Tisch, ein Feuer im Kamin. Panierte Wildsteaks von einer Jagd letzten Herbst in Kodiak. Hoch oben auf einer Bergflanke, und ihr Pfeil hatte beide Lungenflügel durchbohrt. Irene kauerte über ihrem Teller und schnitt ein kleines Stück Fleisch ab, es schmeckte köstlich. Sie kam um vor Hunger. Aber ihr war auch zum Kotzen übel. Das Essen würde eine seltsame Gratwanderung werden.
    Danke, Gary, sagte sie.
    Es tut mir leid, sagte er. Es tut mir wirklich leid, dassich uns bei dem Unwetter rausgescheucht habe. Und ich tue, was immer ich kann, damit es dir besser geht. Aber ich mache mir Sorgen wegen der Tabletten. Davon könntest du süchtig werden. Vielleicht bist du schon süchtig.
    Darüber mache ich mir keine Sorgen. Ich mache mir Sorgen, dass die Tabletten nicht ausreichen. Selbst jetzt kommen sie nicht ganz an den Schmerz ran. Und wenn es noch schlimmer wird? Was mache ich dann?
    Ich glaube, du wirst langsam panisch.
    Darauf kannst du wetten.
    Jim und Monique nahmen sich eine Suite im besten Hotel von Seward. Schnitzereien aus Elfenbeinimitat an Beistelltischen, schlechte Aquarelle von Fischerbooten. Ein riesiges einladendes Bett allerdings, das Jims Blick anzog. Und ein Jaccuzi, groß genug für zwei.
    Lass uns mittagessen, sagte Monique. Und danach eine Bootsrundfahrt.
    Okay, sagte Jim, bemüht, Traurigkeit und Sehnsucht aus seiner Stimme fernzuhalten. Schon waren sie draußen und spazierten über den Hafendamm.
    Noch andere Touristen heute, die Gehwege voll. Eine alaskische Fähre hatte angelegt. Also stellte sich Jim bei einer der Rundfahrtsgesellschaften an, während Monique die Läden aufsuchte. Ein schöner Tag, Monique, hinreißend, groß und schlank, zog alle Blicke auf sich, und Jim dachte, eigentlich müsste er sich freuen. Aber er fühlte sich ausgenutzt, hatte eine Sauwut und ein schlechtes Gewissen. Was soll’s, murmelte er. Du steckstjetzt tief drin. Und ganz gewiss wollte er sich die Belohnung nicht entgehen lassen.
    Mit Rhoda hatte er noch nie eine solche Urlaubsreise unternommen, nicht

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