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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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Telefon. Ihre Mutter würde ihn ans Ufer schleppen müssen, versuchen müssen, ihn ins Boot zu hieven, das von Wellen geschüttelt wurde, Wellen, die vielleicht über ihrem Kopf zusammenschlugen und sie umwarfen, sodass sie sich das Bein brach, vielleicht bewusstlos wurde, und Rhoda würde es nicht mal erfahren. DerSturm würde noch eine Woche weiter wüten, ihre Eltern würden bäuchlings im Wasser liegen, tot oder an den Strand gespült, von Wellen überschwappt, die Leiber weiß und aufgedunsen, die Lippen blau.
    Verdammt noch mal, sagte sie. Wie konnten sie mir das antun? Dann fiel ihr ein, dass sie ihren Eltern ein Satellitentelefon kaufen könnte. Das würde funktionieren. So könnte sie sie erreichen. Sie wusste nicht, weshalb sie nicht schon früher darauf gekommen war.
    Sie ließ Corker zum Trocknen bei den Wärmelampen und blätterte in den Gelben Seiten. Ein halbes Dutzend Anrufe später wusste sie, dass keiner ein Satellitentelefon vorrätig hatte, dass sie aber online eins bestellen konnte. Dann fand sie heraus, dass es fast 1500 Dollar kostete plus Sprechzeit für 1,49 Dollar pro Minute, wenn sie 500 Minuten kaufte, also noch mal 750 Dollar.
    Autsch, sagte sie. Sie würde Jim fragen müssen. Ihre einzige Chance. Sie brauchte das Telefon, und sie hatte eine Bezahlung für all ihre häuslichen Dienste verdient. Aber vielleicht war sie auch gerade ein bisschen streng mit ihm.
    Um zwölf rief Jim an und forderte sie auf, zum Kenai Landing zu kommen. Er würde sich verspäten. Also fuhr sie dorthin, eine knappe Viertelstunde entfernt. Eine alte umgebaute Fischkonservenfabrik. Mark hatte hier auf Booten gearbeitet, als sie noch voll in Betrieb war. Jetzt wurden nur noch in einem der zwei großen Lagerhäuser Fische verarbeitet. Das andere war in Boutiquen umgewandelt worden, Werkstatt undArbeiterunterkünfte in Hotels, und eine kleinere Lagerhalle war jetzt ein Restaurant.
    Der Wind stärker hier am Cook Inlet. Kälter. Der Regen schwerer. Sie parkte so nah wie möglich, musste aber etwa hundert Meter rennen. In diesem Regen sah alles noch immer nach einer Fabrik aus, einer Industrieanlage, kalten grauen Lagerhäusern und harter Arbeit. Ein reizender Ort fürs Mittagessen.
    Als sie jedoch die Tür aufstieß, wartete Jim mit einem breiten Grinsen auf sie, sichtbar erfreut über ihren Anblick, was nett war. Tut mir leid, das mit dem Regen, sagte er.
    Sie wurden ihr Regenzeug los und setzten sich in eine Nische. Jim bestellte Königskrabbenbeine für sie beide, eine Delikatesse. Wie läuft’s bei der Arbeit?, fragte er.
    Jim erkundigte sich nie nach ihrer Arbeit, aber sie beschloss, dem geschenkten Gaul nicht ins Maul zu schauen. Jemand hat einen Arktischen Ziesel angeschleppt, sagte sie.
    Als Haustier?
    Genau. Er behauptet, Chippy sei total schlau. Ich glaube, er plant, ihm diesen Winter diverse Kartenspiele beizubringen.
    Jim lachte. Es gibt solche und solche.
    Und genau die haben wir hier.
    Ha, sagte Jim.
    Da wurde es seltsam still. Ihr fiel nichts ein, und er schien mit den Gedanken woanders. Blickte auf Besteck und Serviette. Er war ein Spinner, schlicht undergreifend. Sie wusste nicht, wieso ihr das nicht schon früher aufgefallen war.
    Jim rutschte aus der Nische, langsam und umständlich, stand einen Augenblick da und blickte zu Boden, dann sank er auf ein Knie. In der Hand hielt er eine kleine Schatulle.
    Rhoda, sagte er und sah nun zu ihr hinauf, und sie konnte es nicht fassen. Er hatte ihr keine Chance gelassen, sich darauf einzustellen. Er öffnete die Schatulle und zeigte ihr den Ring, einen großen Diamanten mit Prinzess-Schliff, mit kleineren Diamanten zu beiden Seiten, keine Form, die sie sich ausgesucht hätte, aber hier war er, ein großer Diamant. Willst du mich heiraten?
    Er sah ängstlich aus. Und auf einmal bekam sie Angst. Alles, was sie sich gewünscht hatte, und nichts davon geschah wie in ihrer Vorstellung, aber immerhin geschah es. Dieses triste Restaurant, fast leer, ein Regentag, sie roch nach Flohbad, ihre Augen gereizt, aber zum Teufel. Ja, sagte sie. Sie stand auf, und er hielt sie fest, und sie küssten sich, so, wie es sein sollte. Der Ring jetzt an ihrem Finger, für sie sichtbar an seiner Schulter, als sie ihn umarmte, ihren Ehemann oder Verlobten. Zukünftigen. Sie wollte es ihrer Mutter erzählen.
    Das muss ich Mom erzählen, sagte sie.
    Ja, sagte Jim. Wir können es deinen Eltern erzählen.
    Aber sie ist auf dieser Insel. Rhoda ließ Jim los und setzte sich wieder. Die

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