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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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haltlos zitterte. Er rutschte aus und musste sich mit einer Hand abstützen. Die Beine jetzt von Wellen umpeitscht, die auf ihn zustürzten, der erste Brecher bis zum Bauch, und er stemmte sich seitwärts gegen das Wasser, Arme jetzt hinuntergestreckt, gewappnet, von einer weiteren Welle erfasst, die ihn umwarf, und er fiel, tauchte unter, ein Arm bis hinauf zur Schulter zerschrammt von den Steinen, dann war er wieder draußen, dann von der nächsten Welle durchtränkt. Er brüllte, juchzte und johlte, fühlte sich so gut wie seit Jahren nicht, versuchte nicht mehr, aufrecht zustehen, streckte sich einfach auf den Steinen aus, hielt die Luft an, wenn er umspült wurde, schüttelte sich im Wellental, johlte wieder. Ihm war nicht mal mehr so kalt.
    Die Welt jedoch hatte verschiedene Größen. Dieses umfassende Gefühl der Ausdehnung, der Verbindung konnte sich Augenblicke später klein anfühlen, hart und kalt, und Gary wusste nicht, wie das vor sich ging. Der Augenblick war verstrichen, bevor er ihn so ausgekostet hatte, wie er es gern gewollt hätte, und auch wenn er jetzt hier blieb, würde er sich nicht wiederholen. Das wusste er. Aber er blieb trotzdem, weil ihm diese Regel nicht gefiel. War es eine Regel der Welt oder einfach eine Grenze des Ich, und wie würde man je den Unterschied erkennen?
    Wieso kann ich nicht aufhören, den Augenblick zu betrachten?, fragte er laut. Wieso kann ich ihn nicht einfach leben? Warum muss es nach fünf Minuten vorbei sein?
    Das Bewusstsein, es war nicht wirklich ein Segen. Er hatte diese Gedanken schon vor dreißig Jahren gehabt, als sie hier ankamen, und seitdem war es nicht besser geworden. Verändert hatte sich nur seine Hingabe. Damals war sie von Zuversicht gespeist gewesen, jetzt war sie entschlossener, an Auslöschung gekoppelt, erwartete keine Gegenleistung. Hab nichts Besseres zu tun, erzählte er den Wellen.
    Das Wasser mehr als nur ein Medium, mehr als Wellen und Temperatur. Es rieb sich an seiner Haut. Es hatte Körper und Wucht. Es tat weh, drinzubleiben,trotz der Taubheit. Deshalb kroch er schließlich doch davon. Er konnte nicht aufstehen. Die Steine taten seinen Knien weh, selbst durch die Jeans. Er kroch aus den Wellen, auf den Strand, zu den Grasbüscheln, dornig und rau, tastete, bis er Hemd, Pullover und Regenjacke fand. Er zog sie nicht an. Hielt sie einfach in der Hand, als er über Totholz und Blaubeergesträuch kroch, über Moosplacken und was sonst noch den Boden bedeckte. Er schaffte es zum Zelt, zog den Reißverschluss auf, die Hand taub wie eine Keule, und kroch hinein.
    Du zitterst, sagte Irene. Deine Zähne klappern, als würden sie gleich splittern. Was hast du da draußen gemacht?
    War schwimmen, sagte er und nestelte an den Knöpfen seiner Jeans herum im Bemühen, aus den nassen Kleidern herauszukommen.
    Schwimmen.
    Genau. Ich brauche Hilfe mit meiner Hose. Krieg die Knöpfe nicht. Beeil dich bitte.
    Na toll. Aber sie kroch herüber, um zu helfen. Ihre Hände heiß auf seiner Haut. Du bist eiskalt, sagte sie. Komm ja nicht auf die Idee, zu mir in den Schlafsack kriechen zu wollen.
    Danke, sagte er.
    Dank dir selber. Du machst solchen Schwachsinn schon viel zu lange.
    Von Jeans, Stiefeln und Socken befreit, fand Gary ein Handtuch, um sich abzutrocknen, fand seine Thermo-Unterwäsche, erst das Hemd, dann die Hose, und stiegin den Schlafsack. Fand seine Mütze. Bis oben eingemummt, zog er die Kordel zu. Jetzt war es gut.
    Folgendes habe ich dir zu sagen, sagte Irene.
    Lassen wir das.
    Nein. Deine Vorstellung, dass du mehr verdienst, als du bekommen hast, das ist das Problem.
    Ich brauche keine Predigt. Ich bin mir meiner Fehler bewusst.
    Nein, das bist du nicht. Dein Leben entspricht nicht deinen Erwartungen. Du glaubst, du seist für mehr bestimmt gewesen. Du glaubst, du seist mehr wert.
    Ich weiß, wer ich bin.
    Nein, das weißt du nicht.
    Leck mich.
    Nicht einfach so. Du glaubst, du hättest was Besseres verdient als mich.
    Hab ich ja vielleicht auch.
    Da schlug Irene zu, ein fester Hieb, der von seinem Oberarm abprallte. Er rollte sich in seinem Schlafsack ein, und sie schlug weiter zu, sagte nichts, prügelte bloß fest auf ihn ein. Schlug ihm nicht ins Gesicht. Hielt sich noch zurück. Warum so zurückhaltend?, fragte er. Warum schlägst zu mir nicht ins Gesicht.
    Weil ich dich liebe, du Arschloch. Und dann weinte sie.
    Gary wandte sich von ihr ab. Lass sie weinen. Vielleicht würde sie dann gehen. Und er wusste, das war gemein, aber er fühlte

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